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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon
Autoren: Tom Wolf
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Husarenoberst konnte sich anfangs über mangelnden Zulauf nicht beklagen. Niemand wusste, dass Österreich schon dabei war zu verlieren. Keiner ahnte, dass die in Aussicht gestellten englischen Waffen nur ein frommer Wunsch waren. Am 4. Mai 1809, mittlerweile in Bernburg, erfuhr Schill, dass aus der Festung Magdeburg Militär ausrückte, um seine Truppe zu stellen. Wirklich hatte Gouverneur Michaud den westfälischen General von Uslar mit 1 100 Mann elbabwärts entsandt. Die Schill’schen Jäger sammelten sich bei Borne in der südlichen Magdeburger Börde und erwarteten den Heerzug von Bahrendorf und Sülldorf aus. Da General Michaud an der Zuverlässigkeit der eigenen Leute zweifelte, entsandte er am frühen Vormittag zusätzlich noch das erste westfälische Linienregiment unter Oberst Vautier. Dieser sah bereits aus Westen auf Dodendorf zuwehende Staubwolken – verursacht durch die Vorhut der Schill’schen Jäger. Die Feinde waren zahlenmäßig um das Zehnfache überlegen. Doch Schill hielt stand, obwohl er weder große militärische Talente noch das Geschick eines überragenden Feldherrn besaß. Er verlor am 5. Mai wohl ein Drittel seiner Männer, doch seine lebensverachtende Sturheit galt als Beweis, dass es prinzipiell möglich sein müsste, die Franzosen zu schlagen, wenn man es nur mit etwas mehr Geist begänne. Über Langen-Weddingen, Wanzleben, Kolbitz und Burgstall zog er nach Tangermünde, machte in Arneburg Station. Im Handstreich eroberte er die schlummernde Elbfestung Dömitz, um seinen Weiterzug nach Norden rückseitig zu sichern, focht und siegte bei Damgarten. Am 25. Mai dann preschte er durchs Tribseertor auf den Neuen Markt von Stralsund.
    Hier standen er und die Seinen ziemlich alleine da, ohne wesentliche Unterstützung durch die Bürger. Warum nicht einschiffen und übers Meer dem sicheren Ende entkommen? Schill wollte nicht, hatte sich in den Kopf gesetzt, standzuhalten, sah in Stralsund ein neues Saragossa, denn die kleinen Erfolge waren ihm zu Kopf gestiegen. Doch nur sechs Tage später lag er tot. Holländer und Dänen, gedungene Schergen Napoleons, hatten ihn getötet. Alle redeten vom Guerillakrieg: dem »Kleinen Krieg« – jetzt konnte man ihn hautnah erleben! Im erbitterten Häuserkampf wurden die Schill’schen niedergemäht. Schills kopfloser Leib wurde anonym verscharrt. Sein in Weingeist eingelegter Kopf wurde Napoleons Bruder Jérôme nach Kassel geschickt, der 10 000 Francs auf ihn ausgesetzt hatte. Später gab er ihn in die Naturhistorische Präparatesammlung des Generalarztes Brugemans in der holländischen Universitätsstadt Leiden. Sein Nachfolger und Testamentsvollstrecker Ritter von Blume erreichte nach langen Verhandlungen, dass Schills Kopf endlich in würdiger Weise beigesetzt werden konnte. Nachdem das Behältnis nach Braunschweig überführt worden war, entnahm man den Kopf aus dem mit Weingeist gefüllten Glas. Er wurde gezeichnet, die Totenmaske von dem Maler Neumann abgenommen und in einer Urne neben dem Grabdenkmal seiner 14 erschossenen Kameraden am 24. September 1837 beigesetzt.
    Gerardine erinnert sich an die eigenmächtigen Feldherrn: Der König tat so, als fiele er aus allen Wolken, als er von Schills und Dörnbergs Feldzügen hörte. Vor Napoleon musste er den treuen Verbündeten spielen und erklärte die tapferen Krieger zu Verrätern und Deserteuren. In den Prozessen gegen die Überlebenden, geführt, um vor den Besatzern guten Willen zu zeigen, wurde so milde wie möglich geurteilt. Den Witwen zahlte er insgeheim Unterstützungen. Im noch immer besetzten Berlin gärte es. Viele wünschten sich einen weniger zögerlichen und vor allem in Berlin präsenten Herrscher. Ein angebliches Komplott zum Sturz des fernen Königs unter Scharnhorst war zwar nur eine intrigante Idee einiger schurkischer Unken um den ehemaligen Minister Voß-Buch und den Fürsten Hatzfeld; man schloss es aus der Tatsache, dass sie sich der feierlichen Illumination am Geburtstag des Königs verweigerten. Doch Prinz Wilhelm, der als Nachfolger gehandelt wurde, musste seinem Bruder gegenüber wiederholt beteuern, dass nichts von den Gerüchten der Wahrheit entsprach. Wäre es unserem König damals nicht ganz lieb gewesen, gestürzt zu werden? Hatte er nicht sein ganzes Leben unter dem quälenden Eindruck gestanden, es gäbe einen, der würdiger als er wäre, König zu sein? Es sah nun wirklich so aus, als würde es zu einer Revolution kommen, wenn König und Königin sich nicht bald
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