Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind
Autoren: Sandra Luepkes
Vom Netzwerk:
bekommen.
    Sanders blieb glücklicherweise bei Verstand. «Sie müssen uns helfen», sagte er mit eindringlichem Blick. «Hat er Ihnen gegenüber vielleicht einmal etwas erwähnt? Was er vorhat? Ob er ein Ziel verfolgt?»
    Jetzt überlegte Anette, ihre Augen rollten von der einen zur anderen Seite, sie kaute an der Unterlippe herum. «Hm, er war ein Eigenbrötler, hat immer mehr allein unternommen, ist auch abends noch manchmal in die Natur und so. Und was mir noch zu ihm einfällt: Er war geizig, hat jeden Cent gespart.»
    «Wofür, wissen Sie nicht zufällig?»
    «Er wollte nach dem Öko-Jahr ins Ausland. Bei den Aktivisten mitmachen, glaube ich. Aber das ist normal, das wollen alle hier. Doch er war irgendwie verbissener bei der Sache, hat immer geschwärmt von Kanada und Alaska und so weiter. So, als wären wir hier am Großen Meer gar nicht real, sondern nur eine Zwischenstation. Weg wollte er, ganz weit weg. Er sagte mal, ganz weit weg, da sei die Freiheit.»
    «Hat er sich in letzter Zeit verändert?»
    «Ach, das ist schwer.» Sie zögerte. «Ja, kann sein. Er ist vielleicht etwas lockerer geworden. Hat auch mal einen ausgegeben. Da haben wir uns in der WG schon gefragt, ob er im Lotto gewonnen hat. Er sagte, er habe einen Nebenjob, da verdiene er ganz gut.» Sie schüttelte den Kopf und lächelte wieder etwas spöttisch. «Aber so viel Kohle kann es auch nicht gewesen sein. Er hat nur einmal seine Spendierhosen angehabt, und da hat es auch nur für ein paar Plastikflaschenbiere vom Penny gereicht.»
    Da können wir ihn packen, fuhr es Wencke in den Sinn. «Wissen Sie, bei welcher Bank Jakob ist?»
    «Ich? Was?» Endlich begriff sie. «Ach so, ähm, die meisten Kollegen sind bei der Fresena- Bankin Moordorf.»
    Wencke griff zum Handy und wählte Strohtmanns Nummer. Als der Kollege am anderen Ende abnahm, ging sie ein paar Schritte abseits. «Wir brauchen dringend Informationen über die Kontobewegungen von Jakob Mangold, wahrscheinlich bei der Fresena- Bankin Moordorf. Wenn’s geht, bis vorgestern …»
    Strohtmann murmelte unfreundlich, ob sie den Tonfall inzwischen bei Sanders abgekupfert hätte. «Was willste überhaupt von diesem Jakob Mangold? Wir haben die Daten durchwühlt und nichts gefunden. Der Junge hat ’ne Weste, weiß wie Schnee.»
    Wencke legte wortlos auf. Seit ihrer Unterhaltung mit Sebastian Helliger im kleinen Wald am Großen Meer hatte sie den Glauben an eine wirklich weiße Weste vermutlich für immer verloren.
    «Aber was soll Jakob denn eigentlich getan haben? Sie sind doch nicht etwa wegen des Rumänenjungen gekommen?», fragte Anette verstört.
    «Hat er Ihnen gegenüber mal von seinem Vater gesprochen?»
    «Ja, der ist doch tot. Oder nicht?»
    «In gewisser Weise», bestätigte Wencke, dann zupfte sie an Sanders’ Ärmel. «Lass uns aufbrechen. Ich glaube, Jakob hat es jetzt ziemlich eilig. Er muss ahnen, dass wir ihm auf die Schliche kommen. Und er wird schneller sein wollen.»
    «Und wohin?», fragte Sanders.
    «Zu dieser Bank nach Moordorf.»

B 210 kurz vor Emden noch fünf Minuten bis zur Autobahn
    Der Schlipsträger auf der Bank hat nur einmal kurz erstaunt geguckt und nachgefragt: «Die ganzen zwölftausendfünfhundert, Herr Mangold?»
    «Mein Neffe begleitet mich zum ersten Autokauf. Und mit Bargeld in der Tasche kriegt man immer satte Prozente.» Der Junge, den er ganz vertraulich auf den Arm genommen hatte, schaute mit großen Augen in der kleinen Filiale herum. Ein gutes Argument und dieser Kinderblick hätten ihm vielleicht sogar noch einen Kredit beschert, wenn er mehr Zeit gehabt hätte. Doch das Bündel an Hundertern fühlte sich schon gut an in der Tasche. Es würde reichen. Wenn er erst einmal am Ziel war, fände sich schon eine Gelegenheit zum Geldverdienen. Das Ganze hatte keine fünf Minuten gedauert. Kurz nach Georgsheil war der Kleine eingeschlafen, was Jakobs letzte Befürchtungen in puncto Hindernisse, die sich ihm noch in den Weg stellen könnten, aus der Welt räumte.
    Er bemühte sich, nicht zu schnell zu werden, hier in Emden blitzten sie gern und häufig. Obwohl, wenn man ihn schon wegen Mordes suchte, würde eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht mehr ganz so ins Gewicht fallen. Die Auricher Straße zog sich scheinbar endlos hin, und es war immer seine Spur, auf der es zögerlich voranging, egal, ob er sich links oder rechts eingeordnet hatte.
    Er stellte das Radio an. Na klar, diese Anivia hörte schrecklichen HipHop auf N-Joy, er versuchte, den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher