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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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seine Zigarette am Baum aus.
    Cicciariello und der Eselskopf kicherten.
    Lorenzo antwortete nicht.
    »Was is' los«, fragte Cicciariello, »zu fein für ein Glas Wein mit uns?«
    Lorenzo drehte sich um und ging schweigend über die Piazza davon.
    Als er fast auf der anderen Seite angekommen war,
hörte er Fellone rufen: »Ich nehm sie ran, verlass dich drauf.«
    Lorenzo wusste, es war besser, nicht stehenzubleiben.
    Einfach weiterlaufen, nichts sagen.
    Aber es ging nicht, er konnte nicht. Er blieb stehen und drehte sich nach Fellone um.
    »Macht dir doch nichts, oder?«, fragte Fellone, der ein paar Schritte auf ihn zukam.
    Die Sonne brannte vom Himmel. Eine Eidechse huschte zwischen Lorenzos Schuhen hindurch und verschwand unter den Steinen der Piazza.
    Fellone setzte seine dunkle Sonnenbrille auf.
    Dann sagte er: »Sie ist fällig, heute auf'm Fest nehm ich sie ran.«
    Lorenzo wollte sich auf ihn stürzen, aber genau das war Fellones Absicht, das wusste er.
    Schweiß rann ihm über die Stirn.
    »Sie hat gesagt, sie kann's kaum erwarten.« Fellone machte weiter.
    Er musste weg.
    Fellone hatte was vor.
    Lorenzo rührte sich nicht vom Fleck.
    »Aber was interessiert's dich, ihr seid ja nicht mehr zusammen«, sagte der Fellone.
    »Doch!«, schrie Lorenzo, als wollte er Fellones Worte zerquetschen.
    »Ach ja?« Fellones Lächeln blitzte. »Und wenn ich dir sage, dass du keine Ahnung hast?«
    »Doch!«, schrie Lorenzo noch mal, »wir sind zusammen, wir sehen uns heute.«
    Lorenzo kam es so vor, als blitzte das Lächeln des anderen noch mehr.
    Fellone nahm die Sonnenbrille ab und starrte ihn an wie eine Schlange. »Mè, fratè, was redest du da?«
    Lorenzo bereute es, den Mund aufgemacht zu haben. Wortlos drehte er sich um. Er zwang sich, nicht zu rennen.
    Zwei Schritte, drei.
    Dann packte ihn eine Hand an der Schulter. Und einen Augenblick später wurde er hochgehoben.
    Capa di Ciuccio.
    »Fratè«, sagte Fellone unter dem Feigenbaum, »was is' los, willst du dich nicht verabschieden?«
    Eselskopf schob ihn zurück zum Feigenbaum.
    Er stand vor Fellone, der ihn anstarrte, grinsend, ohne eine Spur von Freundlichkeit.
    »Ich war zuerst hinter Caterina her«, sagte Fellone.
    »Was willst du von mir?«, fragte Lorenzo.
    »Mit dir anstoßen, auf uns, von Mann zu Mann, hast ja schließlich bewiesen, dass du einer bist. Ein Glas Wein, dann verschwindest du, wohin du willst, nicht mein Problem.«
    Lorenzo glaubte ihm kein Wort. Aber wenn er nein sagte, prügelten sie ihn grün und blau, und er verpasste seine Verabredung mit Caterina.
    Ein Glas Wein, warum nicht.
    Vielleicht war Fellone gar nicht so ein Dreckskerl.
    Außerdem kamen in einer halben Stunde die Musiker zur Probe, es bestand also keine Gefahr.
    »Meinetwegen«, sagte Lorenzo.
     
    Er stand auf und ging zurück ins Sonnenblumenfeld. Jetzt fühlte er sich besser.
    Dann versuchte er sich zu erinnern, was geschehen war, als er mit Fellone Wein getrunken hatte, aber es fiel ihm nicht ein, das Bild war verschwommen. Das Einzige, was er noch wusste, war, dass ihm nach dem ersten Schluck so schwindlig geworden war, als müsste er sterben. Die hatten irgendwas in den Wein getan. Was hatten sie nur vor?
    Aus der Tasche nahm er zwei Kaugummis für den Atem. Er schob sie sich in den Mund und schaute sich um.
    Einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, irgendwo lauerte eine Gefahr, aber dann erschien ihm seine Angst grundlos, und er ging zwischen den Sonnenblumen zurück, getrieben von dem Verlangen, Caterina zu sehen.

Fellone, Cicciariello und Capa di Ciuccio
    Das Mofa knatterte um den Teich und erreichte die Sonnenblumen.
    »Ganz hübsch, die Blümchen!«, sagte Capa di Ciuccio, als er das Gelb aus der Nähe sich im Wind wiegen sah.
    »Schwuchtel«, sagte Cicciariello.
    Capa di Ciuccio schaute ihn an und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    »War bloß Spaß«, sagte Cicciariello.
    Capa di Ciuccio nahm einen großen Schluck Wein und stierte die Sonnenblumen an.
    Cicciariello griff nach Gras und Tabak und baute noch einen Joint.
    In der Zwischenzeit versteckte Fellone das Mofa im Schilf. Dann schaute er sich um, suchte eine Stelle, wo die Sonnenblumen hoch standen, und gab seinen Kumpels ein Zeichen, ihm zu folgen.
    Fellone war der Boss. Mino Calasetta, sein Vater, war ein dicker Fisch im Baugewerbe. Unaufhörlich floss das Geld in Fellones Tasche. Geld, mit dem er alles kaufte, wonach ihm der Sinn stand. Selbst seine Lehrer
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