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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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Schrecken einzujagen und ihn loszuwerden. Cicciariello und den Eselskopf hatte er nicht einmal mitgenommen.
    »Mè, Schusterjunge, buonasera «, hatte er aus der Dunkelheit gesagt.
    Er hatte den Eindruck, dass der Schuster es mit der Angst zu tun bekam, deshalb hatte er großmäulig weitergemacht.
    »Und deine Tammorra? Hast du die heute nicht dabei?«
    Der Schuster war schneller geworden, abhauen wollte der.
    Das jedenfalls dachte Fellone.
    Er trat aus dem Dunkel und versperrte ihm den Weg.
    »Du spielst gut, Schusterjunge, das hast du sicher schon gehört, oder?«
    Der Schuster war stehengeblieben. Er sagte nichts.
    Aus Angst, dachte Fellone immer noch.
    »Aber du bleibst trotzdem Schuster, dein Leben lang.«
    Und schlug ihm zweimal gegen die Schulter, leicht nur. Wieder reagierte Lorenzo nicht. Dem kommen gleich die Tränen, dachte Fellone.
    Er packte ihn am T-Shirt und drückte ihn gegen die Mauer.
    »Schuster, schlag dir Caterina aus dem Kopf. Kapiert?«
    Lorenzo blieb stumm und reagierte nicht.
    Wie alle Feiglinge, dachte Fellone.
    »Vergiss sie, die nehm ich mir vor!«
    Im Dunkel des Abends schien es ihm so, als starrten die Augen des Schusters ihn an. Wütend machte ihn dieser Blick, und ohne groß nachzudenken, schlug er ihm mit der Faust ins Gesicht.
    Fellone war ein Jahr älter als Lorenzo. Und hatte Muskeln, die vom Fitnessstudio mächtig aufgepumpt wa
ren. Aber es sah nur so aus, als hätte Lorenzo keine Kraft und keinen Mut. Schüchtern ja, das war er, aber zäh und nervös wie eine Peitsche. Angst hatte er nur vor Autos, die nachts rasten. In einem Auto, in einer Nacht, waren seine Mutter und sein Vater umgekommen. In einer Augustnacht.
    Aber hier gab es keine Autos.
    Deshalb kümmert er sich nicht um das Blut, das ihm von der Lippe tropfte, und begann Schläge auszuteilen, die ihre Spuren hinterließen.
    Immer weiter schlugen sie aufeinander ein.
    Immer weiter, harte Hieben und Haken, mindestens eine Viertelstunde lang, ohne einen Sieger, ohne einen Verlierer.
    Bis Mino Calasetta, Fellones Vater, der einen Anruf bekommen hatte, der Schlägerei der Jungen ein Ende setzte.
    Lorenzo ging schweigend nach Hause, während Fellone mit Zornestränen in den Augen herumbrüllte und sich nicht beruhigen konnte.

Caterina und Lorenzo
    Am Tag des Kusses
    Als er ihr alles erzählt hatte, schaute Lorenzo aufs Meer. Er wusste nicht warum, aber er dachte, dass Caterina böse auf ihn sein würde wegen der Schlägerei mit Fellone.
    Sie aber sah ihn an, als ob ihre Träume aus Sognafuturo wahr geworden wären. Ihr Herz schlug ohnehin schon für Lorenzo, jetzt stand es in Flammen.
    Sie strich leicht über seine Lippen, dort, wo die Wunde war.
    Lorenzo drehte sich um und sah, dass sie lächelte. Ein anderes Lächeln, noch schöner als sonst.
    Auch er streichelte sie. Von der Hand aufwärts den Arm entlang.
    Dann berührte er ihre Schulter.
    Sie zitterte ein wenig. Dann sprang sie wie eine Feder hoch und lief auf das Meer zu.
    Sie rannte, und ihre schwarzen Haare sahen aus wie eine Mähne.
    »Mè, Lorenzo, fang mich, wenn du kannst!«
    Sie lachte, und ihre Zähne glänzten weiß wie die Häuser in der Glut der Sonne.
    Sie warf sich ins Wasser und schwamm hinaus.
    Lorenzo rannte hinterher.
    Sie schwammen, und währenddessen zogen die schwarzen Wolken vom Muntagnone herab und verdunkelten den Himmel. Der Donner klang wie Trommelschläge, und die Blitze sahen aus wie Pfeile, die ins Meer schossen.
    Lorenzo hatte sie gepackt, und zum Spaß kämpften sie miteinander. Dann biss ihn Caterina, um sich zu befreien, und floh an den Strand, wo keiner mehr war, alle waren schon gegangen. Vom Himmel kam so viel Wasser, als wollte es die Welt überschwemmen. Caterina tanzte die Pizzica unter dem Wolkenbruch. Und Lorenzo tanzte mit ihr. Wie die Pizzicari beim Fest von Santu Vito.
    Sie tanzten. Die Füße im Sand, ihre Arme, die sich streiften.
    Sie tanzten. Die Augen fest aufeinander gerichtet, ihre Hände, die sich berührten.
    Sie tanzten. Und zwischen Schweiß und Regentropfen fanden sich einen Augenblick lang ihre Lippen.
    »Warum läufst du weg?«, hatte Lorenzo ihr nachgerufen.
    »Es ist schon spät«, hatte Caterina geantwortet, die vor Aufregung wie Espenlaub zitterte, nicht vor Kälte.
    »Sehen wir uns nächsten Sonntag?«
    »Am Meer können wir uns nicht mehr sehen, wir reisen ab, zurück ins Dorf«, antwortete sie und zog sich das T-Shirt über.
    »Wann dann?«
    Sie war schweigend zum Fahrrad gestapft.
    »Wann sehen wir uns?«,
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