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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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in der Schule. Er war in die elfte Klasse gekommen, ohne je ein Lehrbuch geöffnet zu haben. Und
das, obwohl seine Mutter Lehrerin war. Als ihr klar wurde, dass ihr Sohn die Lehrer bestach, wusste sie nicht, ob sie vor Scham vom Balkon springen oder die Kollegen anzeigen sollte. Schließlich war sie depressiv geworden und hatte sich ein Jahr krankschreiben lassen, in der Hoffnung, dass die Welt sie vergaß.
    Fellone hatte Charisma. Er war siebzehn, und die Mädchen verschlangen ihn mit ihren Blicken. Nicht nur wegen des Geldes und der schicken Hemden. Auch weil er ein lässiger Typ war, immer mit einem Spruch auf den Lippen. Aber vor allem wegen seines Blicks, der an einen Filmstar erinnerte.
    Aber Fellone reichte es nicht, Geld zu haben und Erfolg bei den Mädchen.
    Tief in seinem Innern fraß etwas an ihm wie eine Krankheit. Eine Wut, eine Wut auf die ganze Welt, er wusste nicht, wohin damit. Deshalb musste er alles, was schön und rein war, in den Dreck ziehen, je tiefer, desto besser.
    Das liebte er.
    Wie eine Droge war das, befriedigend für den Augenblick, dann begann alles von vorn.
    »Capa di Ciù«, sagte Cicciariello und reichte ihm den Joint, »morgen im Boot lass ich dich ans Steuer.«
    Der Eselskopf nahm den Joint und zog daran.
    »Ich will Wasserski fahren«, sagte er.
    »Haste nicht gehört, Fellone will fahren.«
    »Ich will es aber probieren«, sagte Capa di Ciuccio.
    »Sieht einfacher aus, als es ist.«
    »Nur probieren«, sagte Capa di Ciuccio und grinste wieder so, dass einem das Blut in den Adern gefror.
    »Wie du willst«, sagte Cicciariello, »aber glotz mich nicht so an!«
    Der Eselskopf lachte und trank zufrieden einen Schluck Wein.
    Cicciariello ging zusammen mit Fellone in die Klasse, und im Augenblick hätte ihn nicht mal Padre Pio durchfallen lassen. Denn Cicciariello, der Fettsack, war der Sohn von Caetano Corona, dem Bürgermeister. Der vor sechs Jahren gewählt worden war, weil er versprochen hatte, die Steuern zu senken und die Fußballmannschaft in die Zweite Liga zu bringen. Die Steuern waren gestiegen und die Mannschaft war in der Amateurliga gelandet.
    Aber Caetano Corona versprach weiter dies und jenes, und da er ein guter Redner war, schluckte man im Dorf alles.
    Fellone und Cicciariello hatten sich über ihre Väter kennengelernt, die miteinander Geschäfte machten. Die Jungen hatten sich wie selbstverständlich angefreundet, beide liebten Geld und Protz. Fellone war der Boss, denn er war nicht nur ein Angeber, sondern schlauer und nicht so feige wie sein Freund.
    »Wie heißen die Blumen?«, fragte Capa di Ciuccio.
    »Sonnenblumen«, antwortete Cicciariello.
    »Und warum drehen die sich alle in eine Richtung?«
    »Was weiß ich? Vielleicht ist da der Arsch von 'ner Nutte in Sicht«, sagte Cicciariello und lachte.
    Capa di Ciuccio, der Eselskopf, hatte nichts mit ihnen gemein. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt, die Mutter war drogenabhängig und kriegte gar nichts mehr mit. Er wurde Eselskopf genannt, weil sein Schädel so groß war wie eine Melone. Doch er hatte auch Muskeln an den Armen, die dicker waren als ein Dudelsack. Fellone und Cicciariello schleppten ihn mit sich herum wie einen Pitbull. Wenn sie Leute drangsalierten und Ärger bekamen, fletschte Capa di Ciuccio die Zähne. Er war zu sehr Tier, um Angst vor irgendwas zu haben, nicht mal vor dem Leibhaftigen wich er zurück. Und reichten die Hände nicht, um Schaden anzurichten, zückte er sein Messer. Mit einer dreißig Zentimeter langen Klinge. Und einem Grinsen, dass einem das Blut in den Adern stockte.
    »Hier?«, fragte Cicciariello.
    »Noch nicht«, antwortete Fellone und starrte weiter in die Sonnenblumen.

Der Hubschrauber
    Furchterregend wie ein riesiges geflügeltes Wesen senkte sich der Hubschrauber auf den Teich herab.
    »Jetzt kriegen sie uns, Prufessò! Wir sind gefickt wie die Nutten!«, schrie Dummenico.
    »Scheiße«, rief der Professor.
    »Scheiße«, rief er noch mal und stieg in den Lieferwagen.
    Als Dummenico die Tür öffnen wollte, griff er sich ans Herz.
    Der Professor kriegte einen Mordsschreck.
    »Mimmù!«
    Dummenico lehnte am Lieferwagen und hatte immer noch die Hand an der Brust. Der Professor stieg aus dem Auto.
    »Mimmù, was is' los?«
    Dummenico schnappte nach Luft, als könnte er nicht mehr atmen. Kaum hörbar sagte er: »Das Herz, Prufessò!«
    Der Professor rannte zu seinem Freund, um ihm zu helfen. Dummenico drückte die Hand, die der Professor ihm reichte.
    In der
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