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Das siebte Tor

Titel: Das siebte Tor
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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ausglitt und stürzte, fiel Hugh mit ihr. Auf Händen
und Knien liegend, starrte sie in die gräßlich verzerrte Fratze eines toten
Wolfsmenschen, und im selben Moment riß genau zwischen ihren Händen die
milchige Fläche auf. Der Wolfsmensch schnellte hervor und auf sie zu. Marit
fuhr zurück, gegen Hugh, der sich hinter ihr bemühte, wieder auf die Füße zu
kommen.
    »Der Zauber wirkt nicht mehr«, keuchte er.
»Schnell!«
    Sie waren mindestens zwei Körperlängen vom Ufer
entfernt. Marit setzte sich kriechend in Bewegung, sie hatte nicht die Kraft
aufzustehen. Arme und Beine waren taub vor Kälte und verweigerten ihr den
Dienst. Hugh Mordhand schlitterte neben ihr her. Sein Gesicht war bleich und
wie aus Stein gemeißelt. Die Augen blickten starr. Für ihn – geboren und
aufgewachsen in einer wasserlosen Welt – war Ertrinken die schlimmste denkbare
Todesart, und die Angst raubte ihm fast den Verstand.
    Das Ufer und die Rettung waren greifbar nahe,
doch Marit wagte nicht aufzuatmen. Das Labyrinth war beseelt von einer
perfiden Intelligenz, einer verschlagenen Boshaftigkeit. Es quälte seine Opfer
mit falscher Hoffnung, um sie dann, wenn sie glaubten, der Gefahr entkommen zu
sein, in um so größere Verzweiflung zu stürzen.
    Marits kältestarre Finger tasteten nach einem
Felsblock am Ufer, an dem sie sich festhalten und aufs Trockene ziehen
konnte.
    Knisternd brach das Eis unter ihrem lang
ausgestreckten Körper, und sie tauchte bis zur Taille in schäumendes
schwarzes Wasser. Ihre Hand rutschte ab, die Strömung zog sie nach unten…
    Ein heftiger Ruck starker Arme beförderte Marit
aus dem Fluß und ein Stück die Böschung hinauf. Nach Atem ringend blieb sie
liegen, bis ein heiserer Aufschrei sie veranlaßte, sich herumzudrehen.
    Hugh balancierte halsbrecherisch auf einer
Eisscholle und klammerte sich mit einer Hand an einen überhängenden Strauch.
Er hatte sie aus dem Wasser gezogen und dann den Strauch zu fassen bekommen,
aber es war abzusehen, wann er sich auf dem schlüpfrigen Floß nicht mehr halten
konnte. Sein Griff um den knorrigen, dünnen Stamm lockerte sich.
    Im selben Moment, als seine Finger abrutschten,
warf Marit sich auf ihn, packte den Rücken seiner Lederweste und stemmte sich
verzweifelt gegen den Sog der Strömung. Hugh war stark und unterstützte sie, so
gut er konnte. Er schlug mit den Beinen, suchte mit dem Füßen Halt auf dem
steinigen Grund, und schließlich gelang es ihm, ans Ufer zu kriechen, wo er
entkräftet niedersank, schweratmend und am ganzen Leib zitternd vor Anstrengung
und Kälte.
    Ein fernes Dröhnen erregte Marits
Aufmerksamkeit, sie hob den Kopf und spähte flußaufwärts. Eine gläsern
schimmernde Wasserwand, gekrönt von rötlicher Gischt und ein Bollwerk aus
Eistrümmern vor sich herschiebend, kam auf sie zu.
    »Hugh!« schrie sie warnend.
    Der Assassine richtete den Oberkörper auf, sah
die Flutwelle, erhob sich taumelnd und kletterte die Böschung hinauf. Marit
konnte ihm nicht helfen, sie hatte kaum genug Kraft, um sich selbst in
Sicherheit zu bringen. Oben angekommen, ließ sie sich einfach fallen und
registrierte nur verschwommen, daß Hugh irgendwo in ihrer Nähe lag.
    Das Tosen und Donnern der befreiten Wassermassen
hörte sich an, als zürnte der Fluß, weil die sicher geglaubte Beute ihm
entkommen war, aber vielleicht bildete sie sich das nur ein. Sie bemühte sich,
tief und gleichmäßig zu atmen und ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen. Die
Wärme der Runenmagie durchströmte sie und vertrieb die lähmende Kälte aus ihrem
Körper.
    Lange ausruhen durften sie nicht. Der Feind –
Chaodyn, Tigermänner, Wolfsmenschen – lauerte in den Wäldern und beobachtete
sie vielleicht gerade in diesem Moment. Sie warf einen prüfenden Blick auf die
Sigel, die ihre Haut mit einem kunstvollen Muster überzogen; wenn Gefahr
drohte, verströmten sie einen bläulichen Schimmer. Jetzt waren sie dunkel.
    Beruhigend, oder nicht? Nein, es war unlogisch.
Zumindest einige Versprengte der Streitmacht, die gestern mit solcher
Wildheit gegen die Mauern von Abri angerannt war, mußten noch umherstreifen und
auf eine Gelegenheit warten, kleine Kundschaftertrupps abzufangen. Diese
unerklärliche Abwesenheit des Feindes ängstigte sie mehr als der Anblick eines
Rudels Wolfsmenschen. Hoffnung. Wenn das Labyrinth dir Grund zur Hoffnung
gibt, rechne mit dem Schlimmsten.
    Wachsam, mit angespannten Sinnen, richtete sie
sich auf.
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