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Das siebte Tor

Titel: Das siebte Tor
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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versuchte zu begreifen, was sich an dieser
Stelle abgespielt hatte. Eine Schneise der Zerstörung war in den Wald
geschlagen. Junge Bäume lagen abgeknickt auf der Erde, das Unterholz war
plattgewalzt, Zweige und Laub bedeckten den Boden, dazwischen glänzten
grüngoldene Drachenschuppen wie ausgesäte Smaragde.
    Ein riesiger, grüngeschuppter Körper war aus
großer Höhe herabgefallen und zwischen die Bäume gestürzt. Alfred.
    Aber wo war er geblieben?
    »Hätte etwas ihn wegtragen…« begann Marit, aber
der Assassine gebot ihr mit einer Handbewegung zu schweigen und zog sie mit
sich in ein Gebüsch. Marit duckte sich und hielt lauschend den Atem an.
    Ab und zu unterbrachen ein Rascheln im Laub oder
ein knackender Zweig die Stille, sonst hörte er nichts. Fragend schaute sie
Hugh an.
    »Stimmen!« flüsterte er dicht an ihrem Ohr. »Ich
könnte schwören, daß ich etwas wie eine Stimme gehört habe. Sie verstummte,
als du angefangen hast zu reden.«
    Marit nickte. Sie hatte nicht besonders laut
gesprochen. Auf was immer sie gestoßen waren, es befand sich in der Nähe und
verfügte über ein außerordentlich feines Gehör.
    Geduld. Sie ermahnte sich, geduldig zu sein und
zu warten. Und ihre Geduld wurde belohnt. Eine heisere, knarrende Stimme wie
von splitternden Knochen ließ sich vernehmen. Marit schauderte, und selbst Hugh
Mordhand erbleichte. Sein Gesicht verzog sich vor Abscheu.
    »Was zum…«
    »Ein Drache!« flüsterte Marit und spürte, wie
ihr Magen sich zusammenkrampfte.
    Deshalb hatte Alfred nicht in Abri Zuflucht
gesucht. Er wurde verfolgt, wahrscheinlich angegriffen, von einer der
furchtbarsten aller Ausgeburten des Labyrinths.
    Die Runen an ihrem Körper schimmerten blau. Sie
mußte sich zwingen, nicht Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen.
    Eines der Gesetze des Labyrinths besagte: Kämpfe
nie gegen einen der roten Drachen, nur wenn er dich in die Enge getrieben hat
und ein Entkommen unmöglich ist. Dann kämpfe um die Gnade eines raschen Todes.
    »Was sagt er?« fragte Hugh. »Kannst du ihn
verstehen?«
    Marit nickte beklommen. Der Drache bediente sich
der Patrynsprache, die Hugh nicht beherrschte. Sie übersetzte für ihn.
    »Ich weiß nicht, was du bist, Mann-Wurm«, sagte
der Drache. »Ich habe nie etwas wie dich gesehen. Aber ich werde es
herausfinden, sei gewiß. Sobald ich Muße habe, dich zu studieren. Dein
Innerstes bloßzulegen – im wahrsten Sinne des Wortes.«
    »Verflucht!« knurrte der Assassine. »Allein der
Klang seiner Stimme jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Denkst du,
er spricht mit Alfred?«
    Marit nickte und preßte die Lippen fest
aufeinander. Sie wußte, was sie tun mußte, nur war es nicht so leicht, den Mut
aufzubringen. Die Runen an ihren Armen flammten rot und blau, aber sie
ignorierte die Warnung und setzte sich kriechend in Bewegung. Immer wenn die
Stimme schwieg, hielt sie inne, um sich nicht durch die unvermeidlichen
Geräusche zu verraten. Hugh Mordhand folgte ihr.
    Sie näherten sich dem Drachen gegen den Wind,
und es bestand die Chance, daß er sie nicht witterte. Marit wollte nur einen
Blick auf die Kreatur werfen, um zu sehen, ob sie wirklich Alfred in ihrer
Gewalt hatte. Wenn nicht – und sie hoffte inständig, es möge nicht Alfred
sein-, dann konnte sie ruhigen Gewissens auf die Stimme der Vernunft hören und
fliehen.
    Es war keine Schande, vor einem derart
überlegenen Gegner die Flucht zu ergreifen. Fürst Xar war – soweit Marit wußte
– der einzige Patryn, der je gegen einen Drachen des Labyrinths gekämpft und
überlebt hatte. Und er sprach niemals von diesem Kampf; ein Scharten fiel über
sein Gesicht, wann immer die Rede darauf kam.
    »Die Ahnen seien mir gnädig!« raunte Hugh.
    Marit drückte seine Hand als Aufforderung, still
zu sein.
    Durch eine Lücke im Buschwerk konnten sie jetzt
den Drachen sehen, und der Anblick machte die letzte Hoffnung zunichte.
    Ein hochgewachsener, magerer Mann lehnte
kraftlos am Stamm eines abgestorbenen Baumes. Er hatte schütteres,
blutverklebtes Haar und war bekleidet mit den Fetzen einer Kniehose und eines
Schoßrocks aus Samt. Während der Schlacht hatten sie ihn in seiner Gestalt als
Drache gesehen, und nach der Verwüstung im Wald zu urteilen, war er auch in Drachengestalt
vom Himmel gestürzt.
    Jetzt war er ein Mensch. Entweder fehlte ihm die
Kraft, die Verwandlung aufrechtzuerhalten, oder vielleicht hatte sein
Widersacher, der ebenfalls
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