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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors
Autoren: Gene Wolfe
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und während seiner Amtszeit Gültigkeit haben – und sie unter Androhung der Todesstrafe zu vollziehen. In Thrax ebenso wie im Haus Absolut und der Zitadelle scheint die zeitlich begrenzte Haftverwahrung – unsere gebräuchlichste Strafe – unbekannt. Die Insassen der Vincula erwartet Folter oder Hinrichtung, oder sie bürgen als Geiseln für das Wohlverhalten ihrer Freunde und Verwandten.
    Wie das Manuskript deutlich zeigt, ist die Überwachung und Leitung der Vincula (›Haus der Ketten‹) nur eine der Aufgaben des Liktors (›des Bindenden‹). Dieser Amtsträger ist der höchste Untergebene des Archons in der Strafgerichtsbarkeit. Bei bestimmten feierlichen Anlässen trägt er seinem Herrn als wirksames Zeichen der Gewalt des Archons ein blankes Schwert voraus. Bei Gerichtssitzungen muß er (wie Severian klagt) links von der Richterbank des Archons stehen. Hinrichtungen und andere schwere Strafurteile werden eigenhändig von ihm vollstreckt, und er ist verantwortlich für die schlüsseltragenden Vincula-Wärter.
    Diese Wärter haben nicht nur die Bewachung der Vincula zur Aufgabe; sie dienen auch als Kriminalpolizei, wobei es ihnen sehr zustatten kommt, daß sie Informationen gewaltsam aus ihren Gefangenen herausholen können. Die Schlüssel, die sie tragen, sind offenbar so groß, daß sie sich als Streitkolben verwenden lassen, und sind somit sowohl Waffe als auch Werkzeug und Zeichen ihres Amtes.
    Die Dimarchi (›auf zwei Arten Kämpfende‹) sind sowohl die uniformierte Polizei als auch die Soldaten des Archons. Ihr Titel scheint sich jedoch nicht auf diese Doppelfunktion zu beziehen, sondern auf ihre Ausrüstung und Ausbildung, die ermöglichen, daß sie von Fall zu Fall entweder als Kavallerie oder Infanterie einsetzbar sind. Sie rekrutieren sich anscheinend aus Berufssoldaten, Veteranen der Feldzüge im Norden und nicht ortsansässigen Söldnern.
    Thrax selbst ist eindeutig ein Festungswerk. Nun könnte eine solche Garnisonsstadt den Asciern wohl kaum länger als einen Tag standhalten – ihr eigentlicher Zweck ist offenbar also das Niederringen von Räuberunwesen und Aufständen von Seiten der hiesigen Beglückten und Waffenträger. (Cyriacas Gemahl, der im Haus Absolut ein recht unscheinbarer Mann wäre, ist in der Nachbarschaft von Thrax sicherlich eine bedeutsame und gar nicht ungefährliche Persönlichkeit.) Obgleich den Beglückten und Waffenträgern stehende Heere wohl untersagt sind, deutet alles darauf hin, daß viele ihrer Gefolgsleute, wenn auch unter der Bezeichnung Jäger, Aufseher, Kämmerer und dergleichen laufend, im Grunde genommen streitbare Krieger sind. Sie sind vermutlich unentbehrlich, um die Villen vor Plünderern zu schützen und Pachtzinsen einzutreiben, aber im Falle eines Aufstands könnten sie einem Abdiesus durchaus gefährlich werden. Die befestigte Stadt am Oberlauf des Flusses gäbe ihm bei einem solchen Zwist einen schier unwiderstehlichen Vorteil.
    Der Weg, den Severian für seine Flucht gewählt hat, beweist, wie dicht die Ausgänge der Stadt sind. Die eigene Festung des Archons, Burg Acies (›das Feldlager an der Spitze‹), bewacht das nördliche Talende. Sie ist offenbar völlig getrennt von seinem Palast in der eigentlichen Stadt. Das Südende ist durch den Capulus (›das Schwertheft‹) verschlossen, einer offenbar stark befestigten Mauer, einer verkleinerten Nachahmung der Stadtmauer von Nessus. Sogar die Felshöhen sind gesichert durch Bollwerke, die mit Mauern verbunden sind. Mit ihrem unerschöpflichen Wasservorrat kann die Stadt wohl jeder langen Belagerung standhalten, solange keine schweren Geschütze zum Einsatz kommen.
    G. W.
     

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