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Das Schwebebahn-Komplott

Das Schwebebahn-Komplott

Titel: Das Schwebebahn-Komplott
Autoren: Andreas Schmidt
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passiert, und Zoch wollte sich
von einem sternhagelvollen Fahrgast nicht die Statistik versauen
lassen.
    »Hallo, guter
Mann!«, wagte er einen zweiten Versuch. »Hier ist
Endstation!« Dann hatte er den scheinbar Saumseligen
erreicht. Zoch stutzte. Er kannte den Herrn. Jetzt war er sich ganz
sicher. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Dunkle Erinnerungen
wurden lebendig, als er an seine erste Begegnung mit ihm dachte.
»Ausgerechnet der«, fluchte er. Erschrocken griff er
nach der rechten Hand des Betrunkenen und fühlte den
Puls.
    Zumindest versuchte er
es.
    Die Hand war eiskalt.
Schockiert ließ Zoch sie los. Sein Herz klopfte bis zum Hals.
Entsetzt konstatierte er, dass der Arm des Fahrgastes leblos am
Körper herunterhing. »Kein Puls, Mann, das sieht aus,
als hätte ich ein Problem«, stellte Zoch fest und
blickte sich irritiert um. Noch immer war er alleine mit dem
Anzugträger. Es roch penetrant nach Alkohol. Gehetzt
ließ er den Blick über den schlaffen Körper des
Mannes gleiten. Der Anzug war zerknittert und wirkte, als
hätte der Mann ihn seit Tagen nicht mehr ausgezogen. Zoch
schätzte den Fahrgast auf Anfang fünfzig. Er hatte ein
rundes, volles Gesicht, die Haut war gebräunt, vermutlich von
einer Sonnenbank. An den fleischigen Händen erkannte Zoch
protzige Siegelringe. Erst jetzt erblickte er die mit zahllosen
Diamanten besetzte Uhr am Armgelenk des Mannes. Die Gedanken rasten
förmlich durch Zochs Kopf.
    Steinreich und dennoch
sternhagelvoll. Der Schwebebahnfahrer spürte instinktiv, dass
hier etwas nicht stimmte. Wenn jemand so reich war, wie der hier
aussah, hatte er es nicht nötig, mit öffentlichen
Verkehrsmitteln heimzufahren. Leichte Panik stieg in Hans Zoch
hoch. Er warf immer wieder gehetzte Blicke über die Schulter.
Dann schlug er dem Mann vorsichtig auf die Wange, er
tätschelte ihn; erst sanft, dann energischer. Als der
Anzugträger nicht reagierte, beugte Zoch sich weit über
den massigen Körper und zog entschlossen ein Augenlid hoch.
Der Knabe blickte ihn aus geweiteten, leblosen Pupillen
an.
    Das war
bizarr.
    Jetzt hörte der
Spaß auf.
    Zoch spürte, wie
der Boden unter ihm nachzugeben schien. Kalter Schweiß stand
auf seiner Stirn, während er gegen die Übelkeit
ankämpfte, die von ihm Besitz ergriff. Dann endlich hatte er
begriffen: »Ausgerechnet der«, zischte Hans
Zoch.
    Es sah ganz so aus,
als hätte er eine Leiche zur Endstation
befördert.

2.
Kapitel
    Bitte, bring mich nach
Hause!«
    Die junge Frau warf
Klaus Gembowsky einen ernsten, fast beschwörenden Seitenblick
zu. Ihr hübsches Gesicht wirkte versteinert, wie eine Maske.
Rasch schlug sie das luftige Sommerkleid über die Knie, um
einem weiteren tätlichen Annäherungsversuch des
dunkelhaarigen Mannes an ihrer Seite zu entgehen. Die Ampel war auf
Rot umgesprungen, und er hatte das knallrote BMW-Cabrio mit
quietschenden Reifen zum Stillstand gebracht. Dass der schwere
Wagen schräg zur Fahrtrichtung stand, empfand er scheinbar als
äußerst sportlich. Gembowsky beugte sich weit zu ihr
hinüber und bleckte eine Reihe strahlend weißer
Zähne.
    »Aber Heike,
Baby«, seufzte er, »der Abend hat doch eben erst
begonnen.«
    »Trotzdem«, konterte
Heike und zog einen Flunsch. »Ich bin müde.« Sie
blickte demonstrativ aus dem Seitenfenster des Cabrios.
    »Wir fahren noch
auf einen kleinen Absacker zu mir, und dann bringe ich dich wohin
du willst, okay?« Er grinste noch eine Spur breiter und
brüllte gegen die laute Musik aus den Boxen des Autoradios an.
»Von der Terrasse meines Hauses können wir den
Sonnenuntergang an der Müngstener Brücke beobachten. So
etwas sieht man nicht alle Tage«, gab er sich unbeeindruckt.
»Wenn die Lichter in Remscheid angehen ...« Er
schnalzte mit der Zunge. »So etwas muss man gesehen haben -
mit einem Cocktail in der Hand ...«
    »Du bist
schwerhörig«, stellte seine hübsche Beifahrerin
fest und verschränkte in ablehnender Haltung die Arme vor der
Brust. »Ich sagte, dass ich müde bin. Hundemüde,
sozusagen. Außerdem wartet Stefan auf mich.«
    Klaus Gembowskys Miene
verdunkelte sich schlagartig. Das Grinsen gefror. »Wer ist
dieser ... dieser Stefan?« Den Namen hatte er
hervorgestoßen, als handele es sich dabei um ein übles
Schimpfwort.
    Nun war es an Heike zu
grinsen. »Mein Freund.« Der Triumph in ihrer Stimme war
nicht zu überhören.
    Die Ampel sprang auf
Grün um. Gembowsky legte den Gang ein, und das Getriebe
krachte.
    ›Nein‹,
dachte Heike, ›das Autofahren hat er
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