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Das Schwebebahn-Komplott

Das Schwebebahn-Komplott

Titel: Das Schwebebahn-Komplott
Autoren: Andreas Schmidt
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Andererseits war das Haus noch nicht ganz abbezahlt.
Vorsichtig hatte er sich nach einer Stelle als Schwebebahnfahrer
erkundigt - das kam seiner guten alten Tram ziemlich nahe, wie er
wehmütig meinte. Er hatte Glück gehabt und durfte - nach
rund 65 Fahrstunden beim einzigen Schwebefahrlehrer der Welt -
endlich hinters Steuer. Seitdem betrachtete er seine Stadt aus der
zweiten Ebene. Sanft schwingend am lindgrünen Gerüst der
Bahn hatte er mit Staus und dem Gewimmel in der Innenstadt herzlich
wenig am Hut. Da die Bahn nur tagsüber verkehrt, fielen fortan
keine Nachtschichten mehr für Zoch an. Ein weiterer Vorteil
für ihn, denn aus dem hektischen, zu cholerischen
Anfällen neigenden Hans Zoch war ein besonnener,
ausgeglichener Mann im besten Alter geworden. Zoch war mit sich und
seiner kleinen Welt zufrieden und konnte sich bis zu seiner Rente
nichts anderes mehr vorstellen, als Schwebebahn zu fahren.
Sicherlich gab es aufregendere und anspruchsvollere Jobs, doch er
fühlte sich wohl, und nur das zählte.
    Als die Station
Hammerstein in Sicht kam, erwachte Zoch aus seinen Betrachtungen
und zog den Fahrhebel der Bahn etwas zurück. Kaum spürbar
verzögerte der Zug. Auf dem Bahnsteig wartete nur ein
älterer Mann mit roter Säufernase im Jeansanzug. Zoch betätigte
den Mechanismus, der die Türen der Bahn öffnete. Der
kleine Schwarzweißmonitor rechts am Fahrerstand flammte auf,
und er konnte über eine auf dem Bahnsteig installierte Kamera
den Fahrgastwechsel überwachen. Zoch drehte sich um und warf
einen Blick nach hinten in das Innere der Bahn. Der Betrunkene auf
der letzten Bank schlief immer noch tief und fest. Nun, ihm sollte
es egal sein.
    Inzwischen hatte er
das Strecke
frei -Signal
erhalten. Nachdem der Fahrgastwechsel abgeschlossen war, verschloss
Hans Zoch die Türen und drückte den Fahrhebel vor. Die
Laufwerke auf dem Dach der Bahn surrten kaum vernehmlich. Ein
leichter Ruck durchlief die Bahn, dann rollte sie aus der Station.
Jetzt lag die Kaiserstraße unter ihm. Von der Straße
her dröhnten Technorhythmen an seine Ohren. Als er sich im
Fahrersitz vorbeugte, erkannte er ein knallrotes BMW-Cabrio, das
fast genau unter seiner Schwebebahn nach Westen rollte. Etwas
irritiert blickte Hans Zoch in die beleuchteten Fenster der bunten
Hausgiebel, an denen die Bahn vorüberrollte. Nein, es bestand
kein Zweifel; der Lärm drang aus dem offenen Sportwagen zu ihm
hinauf.
    In der warmen Nacht
waren noch zahlreiche Spaziergänger unterwegs. Vergnügt
zogen sie von Kneipe zu Kneipe oder belegten die zahlreichen Tische
der Straßencafes und Eisdielen der Kaiserstraße. Nun
sah Zoch, wie sich einige Passanten die Hälse nach dem BMW
verrenkten. Scheinbar unbewusst hielt der Fahrer des Cabrios das
gleiche Tempo wie die Schwebebahn über seinem Kopf. Auf der
Höhe des Eissportzentrums erkannte Zoch endlich den Fahrer;
einen braungebrannten Typ mit offenem, weißem Hemd. Die
schulterlangen, dauergewellten Haare flatterten im Fahrtwind. Zoch
sah im Licht der Straßenlaternen eine goldene Armbanduhr
glitzern.
    »Zuhälter«,
entfuhr es dem Schwebebahnfahrer abfällig, als er sah, wie der
Typ ein offensichtlich intensives Gespräch mit seiner jungen,
hübschen Beifahrerin führte. Er redete mit
übertriebenen Gesten auf die Frau ein und schaute sie viel zu
lange an, anstatt sich auf den Verkehr zu konzentrieren. Immer
wieder landete seine behaarte Pranke auf dem nackten Knie der
jungen Frau, der diese Berührungen anscheinend unangenehm
waren, denn geschickt wich sie immer wieder aus und brachte ihre
Beine aus der Gefahrenzone. Wie Zoch schätzte, war sie Anfang
dreißig. Höchstens. Ihr blondes Haar trug sie sportlich
kurz. Als ihr die Annäherungsversuche ihres Verehrers zu bunt
wurden, zog sie das geblümte Sommerkleid herunter.
    »Widerling«, zischte
Zoch kopfschüttelnd.
    Das bunte Licht von
unzähligen Leuchtreklamen der Geschäfte warf bizarre
Schatten auf die blank polierte Motorhaube des Cabrios,
während Hans Zoch das offenbar ziemlich einseitig verlaufende
Gespräch zwischen den beiden von oben beobachten konnte. Es
schien, als hätte das junge Paar unter ihm Streit oder
zumindest eine Meinungsverschiedenheit. Wiederholt schüttelte
die junge Frau trotzig den Kopf und blickte scheinbar gelangweilt
aus dem Seitenfenster, während sich ihr Verehrer immer wieder
weit zu ihr hinüberbeugte. Dass sich der Cabrio-Fahrer mehr
auf die junge Frau neben sich konzentrierte, als auf den
fließenden Verkehr, bemerkte er
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