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Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Titel: Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Autoren: Susanna Kearsley
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Cruden Bay hindurch zurück nach Aberdeen, um der Ruine zu signalisieren, dass ich sie nicht vergessen hatte.
    Ich brauchte nicht lange, um in Frankreich alles zu regeln. Das Haus dort hatte ich zwar für die ganze Saison gemietet, aber Geld war mir, wie gesagt, nicht wichtig, und meine Habseligkeiten füllten nicht einmal zwei Koffer. Meine Vermieterin, die keinen Verlust machte, weil ich den vollen Betrag im Voraus bezahlt hatte, wirkte trotzdem ein bisschen traurig, bis ich ihr sagte, dass ich wahrscheinlich vor Winterende zurückkehren würde, um weitere Recherchen im Schloss anzustellen. Doch da wusste ich bereits, dass ich nicht mehr wiederkäme.
    Meine Figuren waren in Saint-Germain-en-Laye nicht zum Leben erwacht, weil ihre Geschichte sich nicht dort abspielte. Sie wollten in Slains sein. Also musste auch ich dorthin.
    Dienstagnacht, die letzte, die ich in Frankreich verbrachte, träumte ich von Slains. Im Traum erwachte ich, hörte das Tosen der See unter meinem Fenster und den um die Mauern heulenden Wind, bis ich die Luft in meinem Zimmer als eisig empfand. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt; winzige Flammen warfen schwache Schatten auf die Dielen.
    »Lass sein«, murmelte die Stimme eines Mannes an meinem Ohr. »Uns ist warm genug.« Dann legte er schützend den Arm um mich und drückte mich fest gegen seine Brust. Mit einem Gefühl der Geborgenheit schlief ich ein …
    Es war alles so real, dass es mich fast ein wenig überraschte, als ich am Mittwochmorgen allein aufwachte. Ich blinzelte kurz in das sanfte graue Licht, bevor ich, ohne die Lampe einzuschalten, nach Papier und Bleistift griff, die immer neben meinem Bett liegen, und hastig die Stimmen des Traums notierte. Aus Erfahrung wusste ich, dass Handlungsteile, die sozusagen aus meinem Unbewussten auftauchten, oft verschwanden, ehe ich sie bewusst registrieren konnte.
    Anschließend las ich, was ich geschrieben hatte. Wieder sah ich eine Frau vor mir, vielleicht die, zu der die Stimme in dem Cottage gehörte. Bislang waren alle meine Hauptfiguren Männer gewesen, doch die Frau wollte Teil der Handlung sein. Manchmal schleichen sich Charaktere so in meine Bücher, ungeplant und unangekündigt, manchmal sogar ungewollt. Sollte ich dieser Figur eine Chance geben? Möglicherweise hatte Jane recht mit ihrem Vorschlag, die Geschichte nicht von Nathaniel Hooke erzählen zu lassen, sondern von jemandem, der meiner eigenen Phantasie entsprang, der die Szenen durch seine bloße Anwesenheit für mich verbinden konnte.
    Außerdem fiel es mir leichter, über eine Frau zu schreiben, weil ich wusste, was Frauen taten, wenn sie allein waren, und wie sie dachten. Wollte mein Traum mir sagen, dass ich in meinem Roman die weibliche Perspektive benötige?
    Die Figur würde sich von selbst herausformen; ich musste ihr nur einen Namen geben.
    Doch das war, wie immer, leichter gesagt als getan.
    Namen definieren Charaktere und passen – ähnlich wie Kleidungsstücke – zu ihnen oder nicht. Als ich den Pariser Flughafen erreichte, hatte ich bereits mehrere ausprobiert und verworfen.
    Während des Flugs nach Aberdeen versuchte ich es mit einem methodischeren Ansatz, indem ich eine Seite meines Notizbuchs in zwei Spalten einteilte und alle mir bekannten schottischen Namen aufschrieb – ich war mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass die Frau Schottin sein müsse.
    Ich hatte mich schon durch eine ganze Reihe von Einträgen gearbeitet, als ich merkte, dass sich mein Sitznachbar für mein Tun interessierte. Anfangs hatte er geschlafen oder zumindest die Augen geschlossen gehalten, doch nun war er wach und las mit schräg gelegtem Kopf, was ich schrieb. Als ich mich ihm zuwandte, erwiderte er meinen Blick, kein bisschen verlegen darüber, ertappt worden zu sein, und bemerkte mit einem Nicken in Richtung Notizbuch: »Auf der Suche nach einem Pseudonym?«
    Was die Frage seiner Herkunft klärte. Anfangs hatte ich ihn seiner dunklen Haare und seiner Attraktivität wegen für einen Franzosen gehalten, aber nun verriet ihn sein schottischer Akzent. Er war ungefähr so alt wie ich und lächelte mich freundlich an. »Nein, nein, ich suche nur einen Namen für eine Romanfigur.«
    »Oh, aye? Dann sind Sie also Schriftstellerin? Habe ich Ihren Namen schon mal irgendwo gesehen?«
    »Lesen Sie denn historische Romane?«
    »Seit der Schule nicht mehr.«
    »Tja, dann kennen Sie mich vermutlich nicht.« Ich streckte ihm die Hand hin und stellte mich vor: »Carolyn
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