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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt
Autoren: M Mazzantini
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duftende Fleisch mit seiner saftigen Würze übrig bleibt. Heute
Abend essen wir Meer.
    Pietro fragt mich, ob
er ein bisschen Wein trinken dürfe, und Gojko gießt ihm ein, bevor ich
zugestimmt habe. Pietro lacht und sagt Ich geh hier nie wieder weg .
    Aska sieht ihn an.
Sie hat langsam gegessen, wie eine Zofe, wie eine Nonne. Sie hat Pietro nicht
aus den Augen gelassen, obwohl sie nur selten aufschaute. Sie hielt ihren Blick
auf die Gläser gesenkt, auf die Teller, auf ihr Leben. Als hätte sie Angst, meines
zu stören.
    Vielleicht schämt sie
sich. Jahrelang hat die Scham sie verfolgt, und vielleicht sind dies nun die
letzten Nachwehen. Sie scheint sich fremd zu fühlen, wie ein Eindringling, wie
eine Diebin.
    Es liegt ein leiser
Schmerz in diesem weichen Abend, ich kann nichts dagegen tun. Jeder von uns hat
ihn in sich. Kämpfen, um zu verlieren, ist der dumme Ehrgeiz menschlicher
Seelen.
    Der Wind bläst in die
Glut, die zu verlöschen scheint und doch nie verlischt. Pietro unterhält sich
mit Sebina, sie schreiben Wörter auf die Papierservietten und spielen mit dem
Brot.
    Gojko mischt sich in
ihr Spiel und fragt Welches ist das schönste Wort der Welt ?
    Sebina sagt Meer .
    Pietro schwankt
zwischen Freiheit und Tennis .
    Der Himmel ist mit
Sternen übersät. Mit den immer gleichen Sternen, den nahen und den fernen.
Denen, die uns kapitulieren lassen.
    Gojko hat die Augen
eines Kriegers, der verloren hat. Eines betrunkenen Dichters. Er sieht Pietro
an und sagt: »Das schönste Wort der Welt ist für mich danke .«
    Er hebt sein Glas,
prostet der Flasche zu, hebt es zum Himmel, richtet es auf einen Stern und
sagt: »Danke.«
    Das Böse ist tot
heute Nacht.
    Wir verabschieden uns
auf der Mole wie Freunde, die sich wiedersehen werden, mit Badelatschen und
Rucksäcken wie Touristen. Leiber bewegen sich ringsumher. Wer würde auf eine
Geschichte wie unsere kommen, enthalten in diesen beliebigen Körpern, die sich
bei Tagesanbruch verabschieden? Das Meer schweigt, es verschluckt noch ein
bisschen Nacht.
    Gojko fährt uns
zurück, es ist ein kurzer Weg, ein unglaublich kurzer. Auf dem Flughafen von
Sarajevo trinken wir einen Kaffee, die Ellbogen auf dem hufeisenförmigen Tresen
mit all den rauchenden Leuten.
    »Was hast du jetzt
vor?«
    »In zwei Wochen
beginnt das Filmfestival in Sarajevo, diesmal ist Kevin Spacey dabei,
vielleicht führe ich ja Kevin Spacey herum, dann zeige ich ihm, von wo aus sie
auf uns geschossen haben, ich mache the war tour mit ihm.«
    Er lacht auf, dann
wird er traurig. Er ist wie Pietro.
    Ich muss los, weil
der Flug aufgerufen wird und weil wir zu oft traurig und fröhlich gewesen sind.
    Ich knuffe meinem
Gojko gegen die Schulter, er nickt, wie ein großes Tier, wie ein Wildschwein.
    Geweint wird nicht,
das ist die Abmachung. Ich spüre die Härte seines Bartes.
    Wir sind Meer, das
kommt und geht. Wird es ein nächstes Mal geben?
    Ich schnappe nach dem
letzten Geruchshäppchen dieses Bosnien, dieser Liebe.
    Pietro verkündet im
Flugzeug, der Start sei das Schlimmste, wir könnten abstürzen, die Motoren
liefen auf Hochtouren. Er ist nervös. Er hat seinen Kaugummi unter den
Klapptisch geklebt, alles wie immer.
    Ich trage meine
Sonnenbrille, meine schwarzen Scheinwerfer. Ich nicke schweigend. Denke Komm zur Ruhe, mein Kind. Nie bist du still,
nie sitzt du still. Wie viel Leben hast du bloß im Leib?
    Der Igman unter uns
ist klein, ein Katzenbuckel. Auch die Häuser sind klein, wie beim Monopoly.
    Ich fühle mich wie
dieser kleine Gipsgartenzwerg, der aus einem englischen Garten gestohlen wurde
und eine Weltreise machte. Ja, wie eine Puppe, die man mehr als nötig herumgeworfen
hat.
    Nach einer Weile
schlummert Pietro ein, den Kopf gegen das Fenster gelehnt, ein Bein auf den
Sitz gezogen. Seine Gedanken, sein jugendliches Durcheinander geben Ruhe.
Wolken ziehen vorbei, fleckig von den Strahlen der untergehenden Sonne.
    Ich betrachte den
Flügel des Flugzeugs, der wie immer stillzustehen scheint. Ich muss an meinen
Vater denken. Vielleicht hat Diego ihn in der Garage am Meer ins Vertrauen
gezogen, vielleicht wusste Armando die ganze Zeit Bescheid. Und seine Augen
haben dieses Geheimnis bewahrt. Vor zwei Jahren ist er gestorben. Ich fuhr ihn
zu einer Kontrolluntersuchung wegen seines Herzschrittmachers. Ich hielt in der
zweiten Reihe und stieg aus, um schnell was im Supermarkt zu kaufen, wie immer.
Ich ließ ihm die Autoschlüssel da, Fahr den Wagen weg, wenn jemand hupt . Als ich mit den
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