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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt
Autoren: M Mazzantini
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hinauskönnen. Sie erträgt den Gedanken
nicht, dieses lebende Etwas im Leib zu behalten, ihre Peiniger zur Welt zu
bringen und deren Leben so fortdauern zu lassen. Es erscheint ihr absurd, dass
diese Gewalt ihr so viel Geld bringen soll.
    Dieses Kind wird
unausweichlich der letzte Dreck sein. Es gibt nicht ein gutes Wort für es.
    Er stützt sein Kinn
auf und schaut sie an. Er erinnert sich an das erste Mal, als er sie Trompete
spielen hörte. Vor einem Krieg, vor einem Leben.
    Sie sagt Na gut , sie werde es noch ein paar Monate im
Stall behalten. Er habe ja recht, es sei ein gutes Geschäft. Da es nun schon
eingefädelt sei, wäre es wirklich schade, alles über den Haufen zu werfen.
    Doch als sich das
Kind zu bewegen beginnt, zittert Aska. Sie nimmt ihre Arme vom Körper und
schreit. Sie träumt, sie bringe Söhne zur Welt, die sie vergewaltigen.
    Sie träumt, sie
spiele Trompete und zerfließe zusammen mit ihr. Auch ihre Haare lösen sich in
Tränen auf.
    Diego möchte mir die
Wahrheit sagen, doch es ist schon zu spät. Er möchte sich mit mir auf den
kleinen, grünen Stuhl setzen, mich abkitzeln und zusammen mit mir umfallen. Er
betrachtet meinen Rücken, die Stille. Legt eine Hand auf diese Stille. Die Wahrheit
liegt in den Wendungen dieses Krieges. In dem Film, der in seiner Jackentasche
brennt.
    Er hat noch nie ein
Geheimnis gehabt, der Typ ist er nicht. An ihm ist nichts Rätselhaftes, nichts
Mysteriöses. Er ist ein Trottel. Und jetzt steht er mit diesem absurden
Geheimnis da. Er kann mir nicht sagen, dass dieses Kind der Sohn der Teufel
ist, dass es direkt aus der Hölle kommt. Dass es das Kind einer dreckigen Wand
ist. Diesen Schrecken möchte er mir ersparen. Dieses Schicksal möchte er ihm
ersparen.
    Im Reinigungsbrunnen
vor der Moschee ist kein Wasser mehr, Aska wäscht sich mit Schnee, er brennt
auf der Haut. Diese Waschungen werden niemals ausreichen, um sie zu reinigen.
Am liebsten möchte sie sich die Haut vom Leib reißen. Der Schmutz sitzt tief.
Als sie sich bis zum Boden neigt, spürt sie ihren Bauch und den Dämon. Sie
betet mit der Absicht, ihn zu erdrücken. Als sie starb, krallte er sich in ihr
fest, darum hasst sie ihn und wird ihn immer hassen. Diego hat ihr einen
langen, dunklen Fellmantel geschenkt, es gefällt ihr, wie ein Wolf auszusehen.
Er weicht nicht von ihrer Seite, ist immer da, immer um sie. Manchmal dreht sie
sich um und jagt ihn weg, und manchmal lässt sie sich an einem nächtlichen
Feuer in den Arm nehmen.
    Als die Wehen
einsetzen, ist er derjenige, dem der Schweiß ausbricht. Sie will nicht
angefasst werden, röchelt und stützt sich mit der Kraft ihres Kopfes an der
Wand ab. Wieder spürt sie die Stöße. Die Entbindung ist wie jene
Vergewaltigung, ein von einem Pflug zerschnittener Schoß.
    Ihre Mutter hat ihr
einmal vom Kinderkriegen erzählt und dabei ein starkes Bild benutzt, es sei wie
ein wildes Tier, das dich von innen zerreißt. Ein Tier, das stirbt, sobald sich
das Kind dem Leben fügt und in den Geburtskanal gleitet. Am Ende, in der
letzten Phase des Herauspressens, überdecke das Kind den Schmerz mit seinem
Gewicht. Dann bleibe nur diese große Last, die bereits die der künftigen
Verantwortung ist.
    Ihre Mutter sagte,
schon in der Geburt stecke eine Lehre.
    Aska fragt sich,
welche Lehre wohl in einer Vergewaltigung stecke.
    Sie denkt an die
Felder, durch die sie als kleines Mädchen radelte, auf dem Weg zur Schule. Im
Frühling waren sie mit gelben und violetten Blumen übersät.
    Sie denkt an die
Kleine. Als die Tschetniks sie holten, senkte sie den Kopf und folgte ihnen
beflissen.
    Sie fragt sich, warum
Gott nicht wenigstens diesen Moment angehalten hat, warum er sie nicht gerettet
hat. Wenigstens sie. Die wirklich zu klein war. Eine einzige stellvertretend
für alle vergewaltigten Frauen.
    Dieses jungfräuliche,
unversehrt gelassene Mädchen hätte genügt. Eine Tür öffnet sich zum Licht, und
sie geht fort, ruhig und mit diesem unsicheren Lächeln. Aska hat das Gefühl,
dass die Kleine ihr bei der Entbindung hilft. Sie wirft einen Ball gegen die
Wand und zählt. Als der Ball herunterfällt, ist das Kind geboren. Aska fühlt
sich sofort besser. Sie dreht den Kopf weg. So wird sie nie wissen, welchem
Teufel das Kind am stärksten ähnelt, ob dem mit den blauen Augen, dem mit der
breiten Nase oder dem mit dem dunklen Fleck unter dem Auge.
    Als die Ausgeburt der
Hölle das Licht der Welt erblickt und dieser Auswurf in fleischlicher
Vollendung geboren wird,
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