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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt
Autoren: M Mazzantini
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Bauch schießt, dass ein Tschetnik sie von dem
verseuchten Blut erlöst.
    Diego hat ihr neue
Kleidung mitgebracht, einen cremefarbenen türkischen Kasack, den sie bis zum
obersten Knopf geschlossen hat. Jungfräulich sieht sie aus.
    Auch er hat Angst.
Für gewöhnlich wissen Männer nicht, was im Körper einer Frau vor sich geht.
Doch er weiß alles, er hat viel Zeit in den Beratungszentren für sterile Paare
zugebracht. Er weiß genau, wie die Befruchtung abläuft, er hat es in vitro gesehen.
Er sieht die Samenzelle, die in die Blase der Eizelle gleitet, eine Blase, die
sich krümmt und schluckt wie eine Qualle. Er sieht die Zellteilung, wie ein
Herz, wie die doppelten Kerne der Mispeln.
    Er betrachtet die sich
ausruhende Aska. Hört das Geräusch dieser Vermehrung, die in ihrem Körper
stattfindet. Das alles ist so weit weg von der kalten Klarheit des Glases. Er
muss an einen Seeigel denken, an eine Eizelle, die von unzähligen schwarzen
Stacheln durchbohrt wird. Er sieht, wie dieser Seeigel abgelöst vom Felsen auf
dem Meeresgrund dahintreibt. Sieht diese finstere Empfängnis. Insekten
übereinander im selben Loch.
    Er betrachtet diesen
gepeinigten Körper, der sterbend aufblüht.
    Wie gern würde er
sich dem stummen Unglück von Askas Schmerz hingeben und gemeinsam mit ihr und
dem muslimischen Doktor glauben, dass dieses entstehende Geschöpf das
Fruchtwasser des Lebens nicht verdient.
    Er hat Pfützen
fotografiert, weshalb, weiß er nicht so genau, wahrscheinlich weil er in einer
Stadt geboren ist, die vom Meer und vom Regen geprägt ist, von Löchern, die
sich füllen und leeren. Schon immer haben ihn Vertiefungen gereizt, in denen
das Wasser ein bisschen vor sich hin döst, düster und glänzend, und die Launen
des Lichtes und alles Vorübergehenden aufnimmt. Anschwellend wie ein flüssiges
Herz. Er bückte sich, fasziniert von diesen Augen, die ihn ansahen und die er
ansah. Keine richtigen Brunnen, eher flüssige, nur wenige Zentimeter dicke Deckel.
Himmelskörper aus Erde, Auflockerungen aus Wasser. Die Pfützen sind seine
Lehrer gewesen. Sind eine Schultafel gewesen, wie ein von uralten Lichtern
durchtränkter Nachthimmel.
    Er hat sich nie für
einen Wünschelrutengänger gehalten, hat lediglich kleine Stadtsümpfe
fotografiert. Er ist ein Junge, er glaubt nicht an die Tiefe, es hat ihm immer
gefallen, sich wie ein halber Idiot zu fühlen.
    Es ist eine
Regennacht, das Getöse der Granaten vermischt sich mit den Donnerschlägen.
    Als er ans Fenster
tritt, ist es Morgen, es hat aufgehört zu regnen, er sieht zwei Regenbögen.
Noch nie hat er zwei gleichzeitig gesehen. Der eine ist unglaublich nahe, er
scheint direkt neben ihm zu beginnen, eine Quelle aus bunt gestreiftem Licht,
das in einem tadellosen Bogen über den Himmel zieht, der andere ist niedriger,
schwächer, er ist ein kleinerer Regenbogen, so wie er. Seine Farben sind
verwaschen, er sieht aus wie das blasse Abbild des ersten.
    Der kleinere
Regenbogen, dazu bestimmt, demnächst zu vergehen, rührt ihn an.
    Er denkt an das Kind.
Das Kind, das wir auf die bestmögliche Art, nämlich durch eine Liebesnacht,
nicht bekamen. Er denkt an das Kind in Askas Bauch, hineingetrieben auf die
schlimmstmögliche Art. Er denkt, dass das Leben unverschämt ist. Diese beiden
Unglücke sind jetzt gar nicht mehr so weit voneinander entfernt. Er begreift,
dass ganz einfach das der Plan ist.
    Diego ist nicht
zufällig in das Pensionszimmer geraten. Er weiß, dass er herausgefischt wurde.
Wirklich wie ein Fisch, wie der Thunfisch in der Büchse.
    Er ist nicht froh
darüber, doch das spielt keine Rolle. Er hat diesen kleinen, blassen Regenbogen
gesehen, diese kleine Wahrheit. Darin hat Gott sich gezeigt.
    Der Junge aus Genua
ist unsicher, in der losen Struktur der Welt hat vielleicht sogar das sinnlose
Grauen seinen Platz. Vielleicht liegt der Sinn in diesem Kind, das nun aus
einem Höllentor kommt. Auch er hat Angst, dass dieses Kind drei Köpfe, fünf
Schwänze und ein schlechtes Herz haben könnte. Auch er hat Angst, dass das Böse
nichts als Böses gebiert. Trotzdem ist er bereit, es zu riskieren.
    Vielleicht wird
dieses Kind die Wiedergutmachung sein. Er wird ihr die vereinbarte Geldsumme
geben, sogar das Doppelte. Seiner Frau wird er sagen, das Kind sei von ihm.
Aska könnte wieder anfangen, Musik zu machen.
    Es geht ihr besser.
Eines Morgens sitzt sie im Bett. Er hat ihr Papa Armandos Pfirsiche gebracht,
die ich aus Rom mitgebracht habe. Sie beißt hinein, der Saft
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