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038 - Die Wasserleiche im Rio Negro

038 - Die Wasserleiche im Rio Negro

Titel: 038 - Die Wasserleiche im Rio Negro
Autoren: Dämonenkiller
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Ich hörte einen Schrei und richtete mich auf. »Hast du das auch gehört, Hernand?« fragte ich den brutal aussehenden Mann, der neben mir hockte. Sein breites Gesicht war mit einem wild wuchernden, schwarzen Vollbart bedeckt.
    »Was soll ich gehört haben?« fragte er unwillig, ohne die Augen zu öffnen.
    »Einen Schrei«, sagte ich.
    Er hob die Schultern. »Und wenn schon. Was kümmert es mich.« Er verfiel wieder in sein dumpfes Brüten.
    Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. Wahrscheinlich hatte ich mich getäuscht. Die lange Reise zerrte an meinen Nerven. Dazu kamen die Schiffsgeräusche. Das Knacken und Ächzen war Tag und Nacht zu hören und vermischte sich mit dem Stimmengemurmel im Mannschaftsraum. Einige Männer lagen in den Hängematten und schnarchten, andere hockten in dem engen, stickigen Raum und würfelten. Das Essen, das aus Dörrgemüse und gepökeltem Fleisch bestanden hatte, lag mir noch schwer im Magen. Dazu hatte es einen Becher brackigen Wassers und eine Schnitte Brot gegeben, mit der man vor dem Essen tüchtig auf den Boden klopfen mußte, damit die Maden herauskrochen.
    Ich war schmutzig, verlaust und voller Flöhe. Mein Gesicht war mit einem dichten Vollbart bedeckt, und meine Kleider waren verdreckt, zerfetzt und stanken erbärmlich.
    Aber trotz all dieser unerfreulichen Nebenerscheinungen war ich froh, daß ich mich an Bord der Raja , einer kleinen Karavelle, befand. Unser Ziel war die Neue Welt, die wir in wenigen Tagen erreicht haben sollten.
    Ich war auf der Flucht vor der Inquisition. Mein richtiger Name war Georg Rudolf Speyer, doch ich hatte mich als Juan Tabera ausgegeben, der ich in einem meiner früheren Leben gewesen war. Tabera war schon lange tot. Er war 1508 gestorben; jetzt schrieb man das Jahr 1532.
    Wieder hörte ich den Schrei, diesmal ganz deutlich. So schrie nur ein Mensch in höchster Todesangst.
    Ich stand auf. Das Schiff stampfte, schaukelte hin und her, und ich mußte darauf achten, mir nicht den Kopf an der niedrigen Decke wund zu schlagen: Hernand Vivelda schlug die Augen auf und blinzelte mich an.
    »Was ist los?« fragte er brummend.
    »Ich sehe mal an Deck nach.«
    »Kümmere dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten!« knurrte er und streckte sich aus.
    Ich hörte nicht auf ihn, ging zwischen den Schlafenden hindurch und paßte mich den schaukelnden Bewegungen des Schiffes an. Nach wenigen Schritten hatte ich die Stufen erreicht, die zum Hauptdeck führten.
    Die Mannschaft war ein wilder Haufen. Die meisten waren auf der Flucht, die anderen waren durch die Berichte über die Reichtümer der Neuen Welt animiert worden, Spanien zu verlassen.
    Ich erreichte das Hauptdeck, blieb stehen und blickte über das Meer. Undeutlich sah ich zwei Karavellen vor uns. Der Himmel war dunkel, und trotz der starken Brise hatte jedes Schiff soviel Segel gesetzt, daß man um die Takelage fürchten mußte. Ich stand unweit des Großmastes und blickte hoch. Über mir blähten sich ein Bonnett und das Rahsegel. Der Wind heulte. Ich drückte mich in den Schatten und sah mich aufmerksam um. Kein Mensch war zu sehen.
    Da hörte ich wieder einen Schrei, langgezogen und schaurig. Ich lief einige Schritte und erreichte den Aufgang zum Quarterdeck. Das Geräusch meiner Schritte ging im Heulen des Sturms und im Toben der See unter. Ich wunderte mich, daß der Kapitän alle Segel gesetzt hatte. Der Sturm wurde von Minute zu Minute stärker. Ich streckte den Kopf vor, blieb aber noch auf den Stufen stehen. Auf dem erhöhten Halbdeck sah ich einige schemenhafte Gestalten, konnte aber keine Einzelheiten erkennen. Vorsichtig schlich ich an der Bordwand entlang.
    »Laßt mich los!« hörte ich die Stimme des Kapitäns.
    Zwei riesige Gestalten hielten ihn gepackt.
    Ich kam noch näher. Vor dem Kapitän stand Antonio de Aguilar, ein Edelmann, über den die verschiedensten Gerüchte im Umlauf waren. Er sollte auf seinen Anwesen Schwarze Messen gefeiert, den Teufel angerufen und die Kirche verhöhnt haben. Aguilar hob die rechte Hand, und ich sah, daß er ein gewaltiges Entermesser umklammert hatte. Er holte zum Schlag aus und spaltete dem Kapitän den Schädel.
    Ich wandte den Kopf ab und atmete schwer. Nach einigen Sekunden sah ich wieder hin, Aguilar hatte sich in die Kehle des Toten verbissen und schlürfte gierig sein Blut. Schaudernd wandte ich mich ab.
    Eine der dunklen Gestalten stieg vom Halbdeck herunter. Ich drückte mich eng an die Bordwand und wagte nicht zu atmen. Breitbeinig
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