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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt
Autoren: M Mazzantini
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sieht auch Diego ihn nicht gleich an. Verstohlen
betrachtet er nur die Nabelschnur, die grau wie ein Schiffstau ist.
    In den letzten
Monaten hat sich sein Leben von ihm entfernt. Nun scheint es ihm unerreichbar
zu sein. Er streichelt Aska, das Lamm, und flüstert ihr zu Es ist geboren, es ist vorbei .
    Diego schaut das Baby
an. Diesen schreienden, roten, dünnen Körper. Es sieht nicht aus wie ein
Teufel, es sieht aus wie ein Hühnchen, wie eines von den noch kaum gebratenen,
die sich auf dem Spieß drehen. Möglich, dass es das schlechte Herz seines
Vaters hat, doch wer kann das schon sagen? Seine Stimme klingt wie die eines
Lämmchens, das allein im Gestrüpp zurückgeblieben ist.
    Aska hört es. Und
denkt an die Stimme der Kleinen, an ihren sanften Singsang.
    Sie denkt darüber
nach, wie ungerecht es ist, dass die Kleine aus der Welt verschwunden ist, dem
Himmel zurückgegeben wie eine vermoderte Hülle. Und dass stattdessen das Kind
der Tschetniks geboren wurde. Heute Abend wird der Teufel die Champagnerkorken
knallen lassen.
    Diego fragt sie Willst du nicht sehen, wie es ist?
    Sie sagt Ich weiß, wie es war. Bring es weg .
    Bevor ich gehe,
schaue ich sie an. Ich mache einen Schritt auf das Krankenbett zu. Würde ich
sie jetzt fragen, würde sie mir die Wahrheit sagen. Sie hat nichts zu verlieren.
Würde sagen Weißt
du, der Fotograf und ich hatten nie Sex zusammen. Das Hühnchen ist das Kind des
Heiligen Geistes dieses Krieges, die Ausgeburt der Hölle . Doch ich gehe nicht weiter auf sie
zu. Ich will es gar nicht wissen. Das Kind wird unbefleckt bleiben.
    Ein Regenbogen an
diesem kleinen Himmel.
    Aska ist leer. Ihr
Bauch hängt herunter, in ihrer Brust schwellen die Milchdrüsen an. Zwischen den
Beinen spürt sie noch immer diese zerschnittene Nabelschnur, die sie vom Kind
der Vergewaltigung getrennt hat. Nun ist sie nicht mehr bewohnt, sie ist wieder
sie selbst.
    Sie hat das Geld,
zählt es auf dem Bett. Sie könnte fortgehen, zwischen das Gepäck eines
Nachttransports schlüpfen. Doch sie weiß, dass sie das nicht tun wird. Dieses
Kind hat sie am Leben gehalten, jetzt weiß sie es. Ihr wird klar, dass sie es
retten wollte, obwohl sie es hasste. Sie ist ehrlich zu sich selbst. Pfeifend
spielt sie Trompete, drückt in der Luft die Finger nieder und schließt die
Augen.
    Jetzt weiß sie, dass
auch der umgekehrte Weg möglich ist, dass aus einem Teufel auch ein Engel
werden kann. Und dass vielleicht dies die Lehre ist.
    Diego merkt nicht
einmal, dass wir am Flughafen angekommen sind. Er betrachtet etwas, was im
Gewebe seiner verschleierten Augen vor ihm aufblitzt.
    Er steigt nicht ins
Flugzeug. Er dreht sich um und geht zu sich selbst.
    Diesmal begreift Aska
wirklich nicht, warum der Fotograf immer noch da ist. Er ist zurückgekommen, um
ihr beizustehen.
    Er setzt sich zu ihr,
spielt Gitarre, besorgt auf dem Markale etwas zu essen. Bis sie ihm eines Tages
sagt, dass sie geheilt sei, dass sie wirklich versuchen wolle zu leben. Sie
werde mit dem Geld eine Musikschule eröffnen.
    Die letzte Nacht
verbringen sie gemeinsam auf der Insel Korčula. Er klettert auf diesen Felsen. Sieht etwas, was er fotografieren
möchte. Ein Kind, das mit der Hand Fische fängt, einen Ante. Es ist das Heroin,
das ihm ins Blut schießt, es ist etwas Schönes . Hätte eine Hand seinen Flug aufgehalten und man ihn gefragt, wie
das Leben war, hätte er gelächelt und mit den Fingern ein Okay gezeigt, er ist
mit Anstand gegangen.
    Er setzt sich auf
seinen Holzsarg. Streckt die Beine aus und schaut mich an. Er hat noch diesen
Film in der Tasche. Darauf sind die Gesichter der Teufel, einer von ihnen hat
das blaue Kind erschossen, einer von ihnen ist Pietros Vater. Dieser junge,
trottelige Fotograf hat nie ein Sensationsfoto gemacht. Er zieht den Film
heraus und lässt ihn vom Licht verbrennen. Er nimmt Pietro aus der Geschichte
und setzt ihn in die Welt.

Ich gehe durch den Sand
    Ich gehe durch den
Sand, er wirbelt rings um meine Schritte auf. Ich habe das Zimmer verlassen wie
ein Roboter. Aska hat aufgehört zu weinen, sie hat erzählt und dabei die weiße
Gardine angesehen, die sich am Fenster blähte. Für mich klang es wie ein
verlorenes Lied, wie eine Sevdalinka. Die Grausamkeit fern von ihrem Schlund
ist nichts mehr, ist umherwehende Asche. Geblieben ist der Geruch des Hauses,
dieses kleinen Friedens.
    Ihre Tochter rief
sie, und sie wandte unruhig den Kopf. Ihr Hörvermögen auf dem rechten Ohr hat
sie nicht wiedererlangt. Sie spürt ein
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