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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
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den Aerzten in ein äußeres Zimmer, sie sprachen das Urtheil des Todes, seine Wuth stieg zum Wahnsinn empor. Sie kann nicht für mich leben, rief er, wenigstens sey sie mein im Tode! Geronimo! mein Vater! wollen Sie unsre Hände nicht zusammen geben? Der Mönch und der Markgraf hatten die Wundärzte begleitet. Was soll dieser wilde Unsinn? sprach Geronimo. Ist dies eine hochzeitliche Stunde? Sie ist es allerdings, antwortete Theodor, es giebt leider keine andre. Lassen Sie sich rathen, junger Mann, sagte Friedrich. Können wir in dieser schrecklichen Zeit auf die Schwärmereyen der Liebe achten? Was für Ansprüche haben Sie auf die Prinzessin? Fürsten-An sprüche, sprach Theodor. Ich bin Herr von Otranto. Dieser ehrwürdige Geistliche, mein Vater, hat mich gelehrt, wer ich bin. Sie sind nicht gescheut, erwiederte der Markgraf, es giebt keinen Fürsten von Otranto, als mich; denn Manfred hat durch Mord, durch Kirchen entweihenden Mord, seine Rechte verlohren. Gnädiger Herr, sprach Geronimo mit stolzem Blick, er sagt Ihnen die Wahrheit. Es war meine Absicht nicht, das Geheimniß so früh zu offenbaren, aber das Schicksal stürmt zur Vollendung seines Werks. Was seine entbrannte Leidenschaft offenbarte, bestätigt meine Zunge. Wissen Sie, gnädiger Herr, als Alfonso dem gelobten Lande zusegelte – Ist dies eine Zeit für Erzählungen? fragte Theodor. Eilen Sie, mein Vater, mich mit der Prinzessin zu verbinden; sie soll mein seyn. In jedem andern Stück will ich Ihnen pflichtschuldigst gehorchen! Mein Leben! meine angebetete Matilde! rief Theodor, und rannte in das innere Zimmer zurück. Wollen Sie nicht mir gehören? Wollen Sie mich nicht segnen? – Isabelle winkte ihm zu schweigen; sie fürchtete, die Prinzessin sey ihrem Ende nahe. Ist sie todt? rief Theodor. Muß sie sterben? Sein lautes Geschrey brachte Matilden wieder zu sich. Sie schlug ihre Augen auf, und sah sich nach ihrer Mutter um. Leben meiner Seele! ich bin hier, sprach Hippolite. Fürchte nicht, daß ich dich verlasse! Sie sind zu gut, Mutter, sagte Matilde; aber weinen Sie nicht um mich: wo ich hingehe, fließen keine Thränen. Isabelle, du hast mich geliebt, du wirst statt meiner diese Mutter pflegen? Weh mir! ich bin schwach! O mein Kind, mein Kind, jammerte Hippolite in einer Thränenfluth, kann ich dich keinen Augenblick aufhalten? Es ist nicht möglich, sprach Matilde. Beten Sie für mich. Wo ist mein Vater? Vergeben Sie ihm, theure Mutter, vergeben Sie ihm meinen Tod. Er war hintergangen. Ich vergaß – Liebe Mutter, ich gelobte, Theodoren nicht wieder zu sehn: vielleicht hat meine Unterredung mit ihm mich in dies Unglück gestürzt, aber ich suchte sie nicht. Können Sie mir verzeihn? Beuge mich nicht noch tiefer, sprach Hippolite, du hast mich nie beleidigt. Sie stirbt! helft! helft! Ich wolte noch etwas sagen, sprach Matilde im Todeskampf, aber ich kann nicht. Isabelle – Theodor – um meinent willen – O! – Sie verstummte. Isabelle und die Dienerinnen entrissen Hippolite dem Leichnam, aber Theodor drohte den zu tödten, der versuchen würde, ihn zu entfernen. Er drückte tausend Küsse auf ihre eiskalten Hände, und sprach Worte verzweifelnder Liebe.
    Unterdessen begleitete Isabelle die betrübte Hippolite in ihr Gemach. Auf der Mitte des Hofraums begegnete ihnen Manfred, zerrissen von seinen Gefühlen, ängstlich seine Tochter noch einmal zu erblicken, und dem Zimmer zueilend wo sie lag. Der Mond, in seiner glanzreichesten Höhe, zeigte ihm auf den Gesichtern dieser unglücklichen Gesellschaft, den Ausgang den er scheute. Ist sie todt? rief er in wilder Verstörung. Ein Donnerschlag erschütterte die Burg in ihren Grundfesten, die Erde erbebte, und ein Laut überirrdischer Waffen stieg empor. Friedrich und Geronimo dachten, es nahe der jüngste Tag. Auch sie stürzten in den Hof, und rissen Theodoren mit sich fort. In dem Augenblick, da Theodor dazu trat, wurden die Mauern der Burg hinter Manfred mit mächtiger Gewalt danieder geworfen, und Alfonso's Gestalt zu unermeßlicher Größe ausgedehnt, stand auf der Mitte der Trümmer. Theodor ist der wahre Erbe Alfonso's! sprach das Gesicht. Ein Donnerschlag folgte der Rede, und feyerlich schwebt' es zum Himmel empor. Die Wolken theilten sich. Des heiligen Niklas Gestalt umarmte Alfonso's Schatten. Die Ausstrahlung ihrer Glorie entriß sie sterblichen Augen.
    Die das sahen, warfen sich mit dem Antlitz zur Erde, und erkannten den Willen des Himmels. Hippolite brach die Stille zuerst. O
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