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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
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verhindert sie auf ewig! rief der Tyrann, zog seinen Dolch, und stieß ihn über die Schulter dem sprechenden Mädchen in die Brust. Weh mir! Ich sterbe! rief Matilde sinkend. Gott nimm meinen Geist auf! – Ungeheuer! was hast du gethan? rief Theodor, rannte auf Manfred zu, und entriß ihm den Dolch – O halt ein! seufzte Matilde. Es ist mein Vater! Manfred erwachte wie aus einer Vergeisterung, schlug an seine Brust, raufte sich das Haar, und versuchte, Theodoren den Dolch zu entwinden, um sich selbst ein Ende zu machen. Theodor war nicht viel weniger außer sich, und bekämpfte nur die Heftigkeit seines Schmerzes, um Matilden beyzustehn. Sein Geschrey zog mehrere Mönche herbey. Ein Theil von ihnen versuchte mit dem betrübten Theodor, das Blut der sterbenden Prinzessin zurückzuhalten: die übrigen verhinderten Manfreden, gewaltsame Hand an sich selbst zu legen.
    Matilde ergab sich geduldig in ihr Schicksal, und erkannte Theodors Eifer mit Blicken liebenden Dankes. So oft aber ihre Schwachheit ihr zu sprechen erlaubte, bat sie die Umstehenden, ihren Vater zu trösten. Um diese Zeit hatte Geronimo die Trauerbotschaft vernommen, und trat in die Kirche. Seine Blicke machten Theodoren Vorwürfe. Zu Manfred sprach er: Nun Tyrann, sind die Flüche auf dein ruchloses geweihtes Haupt erfüllt. Alfonso's Blut schrie zum Himmel um Rache, und der Himmel hat seinen Altar durch Meuchelmord beflecken lassen, damit du dein eignes Blut am Fuß des fürstlichen Grabes vergößest! – Wer kann meines Vaters Gram vermehren wollen? rief Matilde. Gott segne Sie, mein Vater, und vergebe Ihnen, wie ich. Mein Vater, mein Fürst, vergeben Sie Ihrem Kinde auch? Gott ist mein Zeuge, ich kam nicht hieher, Theodoren zu treffen! Ich fand ihn betend an diesem Grabmal, zu dem meine Mutter mich sandte, für Sie den Himmel anzurufen, und für sich. Segnen Sie mich, mein Vater, und verzeihn Sie mir. – Ich dir? sprach Manfred. Hat ein Mörder Segen? Ich hielt dich für Isabellen; und der Himmel leitete meine blutige Faust in die Brust meines Kindes. O Matilde! kannst du meiner blinden Wuth verzeihn? Ich kann, ich will, ich thu'es von ganzem Herzen, rief Matilde. Aber, o meine Mutter! Trösten Sie die, mein Vater, verstoßen Sie die nicht, sie liebt Sie, wie ich. – Ich bin schwach. Tragt mich in die Burg! Laßt mich sie noch einmal sehn!
    Theodor und die Mönche baten sie dringend, sich ins Kloster tragen zu lassen, aber sie jammerte so sehr nach der Burg, daß man sie auf eine Bahre legte, und dorthin trug. Theodor stützte ihr Haupt mit seiner Hand, hing über ihr mit der Angst verzweifelnder Liebe, und suchte noch ihr Hofnungen des Lebens zuzuflüstern. Geronimo sprach ihr auf der andern Seite Trost des Himmels ein, hielt ein Crucifix hin, das sie mit unschuldigen Thränen benetzte, und bereitete sie zum Hingange in die Unsterblichkeit. Manfred, schmerzversunken, folgte der Bahre in dumpfer Verzweiflung.
    Ehe sie die Burg erreichten, hatte Hippolite die schreckliche Begebenheit schon vernommen, und floh ihrer gemordeten Tochter entgegen; als sie aber den Trauerzug erblickte, übernahm die Gewalt des Schmerzes ihre Sinne, sie stürzte ohnmächtig und leblos zu Boden. Isabelle und Friedrich, die ihr zu Hülfe eilten, waren beynahe nicht minder von Gram übernommen. Nur Matilde selbst schien ihren Zustand nicht fühlen, jeder ihrer Gedanken verlor sich in kindliche Zärtlichkeit. Sie ließ die Bahre stillhalten. Sobald Hippolite zu sich gekommen war, fragte sie nach ihrem Vater. Er trat sprachlos herzu. Matilde ergrif seine Hand und die Hand ihrer Mutter, schloß sie in die ihrige zusammen, und drückte sie dann an ihr Herz. Dieser Ausdruck kindlicher Liebe war mehr als Manfred ertragen konnte. Er warf sich wüthend zur Erde, und verfluchte den Tag seiner Geburt. Isabelle besorgte, der Kampf dieser Gefühle werde Matilden zu sehr erschüttern, und nahm es auf sich, ihn in sein Gemach tragen zu lassen, während man Matilden ins nächste Zimmer brachte. Hippolite hatte wenig Leben mehr als ihre Tochter, und achtete auf nichts als auf sie. Als aber der zärtlichen Isabelle Sorgfalt auch sie entfernen wolte, während die Wundärzte Matildens Wunde untersuchten, rief sie: Nein! nein! ich bleibe! Ich lebte nur in meiner Tochter, mit ihr will ich sterben. Matilde schlug vor der mütterlichen Stimme die Augen auf, und schloß sie wieder ohne Worte. Ihr Pulsschlag sank, ihre Hand ward kalt und feucht, alle Hofnung der Genesung entfloh. Theodor folgte
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