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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
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– Indem wandte die Gestalt sich langsam herum, und Friedrich sah die fleischlosen Kinnladen und leeren Zahnlücken eines Gerippes, in eine Mönchskutte gehüllt. Er prallte zurück. Engel der Gnade, beschützt mich! Verdiene ihren Schutz, sprach das Gespenst. Friedrich fiel auf seine Knie, und beschwor das Schattenbild, sich seiner zu erbarmen. Kennst du mich nicht mehr? sprach die Erscheinung. Entsinne dich des Waldes von Joppe! Bist du der heilige Einsiedler? rief Friedrich zitternd. Was kann ich thun für die Ruhe deiner Seele? Wardst du darum aus der Sclaverey befreyt, fragte ihn das Gespenst, um Fleischeslüsten nachzugehn? Bist du des vergrabenen Schwerdts, und seiner himmlischen Inschrift nicht mehr eingedenk? Das bin ich noch, sprach Friedrich, aber sage mir, seliger Geist, was ist dein Auftrag an mich? Was soll ich weiter thun? Matilden vergessen! antwortete die Erscheinung, und verschwand.
    Friedrichs Blut erstarrte in seinen Adern. Einige Minuten lang blieb er ohne Bewegung. Dann sank er nieder Antlitz vor dem Altar, und rief die Vermittelung jedes Heiligen an, ihm Verzeihung zu erwerben. Dieser Angst folgte ein Strom von Zähren. Aber wider seinen Willen drang sich das Bildniß der schönen Matilde vor seine Seele, und während er am Boden lag, stritten Buße und Leidenschaft um sein Herz. Noch dauerte die Beängstigung seiner Sinnen, als die Fürstin Hippolite, allein, eine Kerze in der Hand, in das Betgemach trat. Sie schrie auf vor Schrecken, einen Mann ohne Bewegung hingestreckt zu sehen, den sie für todt hielt. Ihre Furcht brachte Friedrichen wieder zu sich. Er richtete schnell sich auf, das Angesicht naß von Thränen, und wolte ihrer Gegenwart entrinnen; aber Hippolite hielt ihn zurück, und bat ihn mit klagender Stimme, die Ursache seiner Verwirrung zu erklären, und durch welch einen sonderbaren Zufall sie ihn dort, in der Lage, finden müssen? Tugendhafte Fürstin! sprach der Markgraf von Gram übernommen, und schwieg. Um des Himmels willen! mein Fürst, sagte Hippolite, enthüllen Sie mir die Ursach dieser Betrübniß. Wozu diese Trauertöne, dieser unruhvolle Ausruf meines Nahmens? Welchen neuen Kummer bereitet das Schicksal der unglücklichen Hippolite? Sie schweigen noch? Bey den Engeln des Erbarmens, beschwör' ich Sie, edler Fürst, fuhr sie fort, und warf sich zu seinen Füßen, mir das zu entdecken, was Sie in Ihrem Herzen verschließen. Ich sehe Sie fühlen für mich. Sie fühlen die bittre Wunde, die Sie verursachen. – Reden Sie aus Mitleid! Wissen Sie etwas, das mein Kind betrift? O Matilde! rief Friedrich, ich kann nicht reden! und riß sich los.
    So schnell verließ er die Fürstin, und eilte in sein Gemach. An der Thür desselben traf er Manfreden, der, von Liebe und Wein begeistert, gekommen war, ihn aufzusuchen, und ihm vorzuschlagen, ob er nicht noch einige Stunden der Nacht mit Saitenklang und Schwärmen verbringen wolle? Eine Einladung dieser Art stimmte so übel zu Friedrichs Gefühlen, daß sie ihn beleidigte; er stieß seinen Wirth unhöflich bey Seite, ging in sein Zimmer, schlug die Thür heftig zu, und schob den Riegel vor. Der stolze Manfred ergrimmte über ein so unerklärliches Betragen, und begab sich von dort in einem Zustande des Gemüths, der den verderblichsten Ausbruch möglich machte. Als er über den Hof ging, stieß er auf den Bedienten, den er in der Nähe des Klosters gelassen hatte, Geronimo und Theodoren nachzuspühren. Dieser hatte sich ganz außer Athem gelaufen, und erzählte seinem Herrn, Theodor und eine Dame aus der Burg hielten in diesem Augenblick eine geheime Unterredung an Alfonso's Grabe, in der Kirche San Nicola. Theodoren hatte er bis dahin nachgespürt, aber die Dunkelheit der Nacht verhinderte ihn, zu entdecken, wer das Frauenzimmer war.
    Manfreds Seele war entbrannt. Isabelle hatte ihn entfernt, da er ihr seine Leidenschaft mit zu wenigem Rückhalt aufdrang; er zweifelte nicht, sie deswegen so unruhig gefunden zu haben, weil sie ungeduldig gewesen sey, mit Theodoren zusammen zu kommen. Aufgebracht durch diese Vermuthung, wüthend gemacht durch ihren Vater, ging er heimlich und eilends zum Dom. Leise schlich er sich durch die Bänke. Ein schwacher Mondesschimmer warf sein undeutliches Licht durch bemahlte Fensterscheiben: aber das unverständliche Zischeln der Personen, die er suchte, führte ihn endlich zum Grabmal Alfonso's. Nun verstand er einige Worte. Das hängt von mir nicht ab. Manfred willigt nie in unsre Verbindung. Nein! dies
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