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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
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mein Gemahl, sprach sie zu Manfred, dessen große Seele endlich erlag, so eitel ist die Hoheit der Menschen! Corrado verloren! Matilde dahin! und Theodor Otranto's rechtmäßiger Besitzer! Durch welches Wunder er es ist, weiß ich nicht, aber unser Urtheil ward gesprochen! Wir haben nichts zu thun, wenn unserm kläglichen Leben noch einige Augenblicke übrig bleiben, als Gott zu bitten, daß er seinen Zorn nicht ferner walten lasse. Der Himmel treibt uns von hier, jene heilige Klause beut uns eine Zuflucht. Du bist schuldlos und unglücklich, erwiederte Manfred, dein Unglück büßt fremde Vergehungen, und erst jetzt hab' ich ein Herz für deinen Zuspruch. Ihr steht und staunt? Ich will mir selbst Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Schmach über mein Haupt zu bringen, ist alle Genugthuung, die ich dem beleidigten Himmel anbieten kann. Seine Gerichte fallen auf mich, mein Bekenntniß mag ihn versöhnen. Aber wer versöhnt mich mit mir selbst, daß ich mein Kind ermordete? daß eine heilige Stäte der heiligsten Unschuld keine Zuflucht gab? Hört mich an, und lernt für euch selbst, und für die Zukunft.
    Ihr alle wißt, Alfonso starb im gelobten Lande. – Wißt ihr auch, daß er durch die Hand eines Verräthers fiel? Daß er es ist, dessentwegen ich diesen bittern Kelch bis auf die Hefen leeren muß? Hinweg mit dem Schleyer! Riccardo, mein Großvater, war sein Kämmerling. Alfonso starb an Gift. Ein untergeschobener letzter Wille erklärte Riccardo für seinen Erben. Seine Sünde lag schwer auf ihm. Doch verlor er keinen Corrado, keine Matilde; ich muß für alles bezahlen! Ein Sturm überfiel ihn. Seine Schuld schwebt' ihm immer vor Augen; er gelobte dem heiligen Niklas eine Kirche und zwey Klöster, wenn er leben würde Otranto zu erreichen. Sein Opfer ward angenommen, der Heilige erschien ihm im Traum, und versprach ihm: Riccardo's Nachkommenschaft solle Otranto beherrschen, bis der rechtmäßige Eigenthümer zu groß geworden sey, die Burg zu bewohnen, und so lange Riccardo männliche Erben haben werde, sie zu besitzen. Jetzt lebt, von seinem unglücklichen Geschlecht, weder Mann noch Weib, außer mir. Der Jammer dieser drey letzten Tage vollendet meine Erzählung. Wie dieser Jüngling Alfonso's Erbe seyn kann, weiß ich nicht, und bezweifle ich nicht. Sein ist dieses Reich, ich entsag' ihm. Ich habe zwar nie von einem Erben Alfonso's gehört. Des Herrn Wille geschehe! Armuth und Gebet sind fortan mein kümmerlich Loos, bis Manfred zu Riccardo versammelt wird.
    Ich kann alles erklären, sprach Geronimo. Als Alfonso dem gelobten Lande zusegelte, warf ihn ein Sturm an die Küste Siciliens. Das andre Schif, welches Riccardo und sein Gefolge trug, wie Ihre Hoheit wissen werden, ward von ihm getrennt. Das ist wahr, erwiederte Manfred, aber der Titel, den Sie mir geben, kommt einem Verbannten nicht zu. Weiter! Geronimo erröthete und fuhr fort: Drey Monathe hielten widrige Winde Alfonso in Sicilien zurück. Hier verliebte er sich in ein schönes Fräulein, mit Nahmen Victoria. Er war zu gottselig, sie zu verbotner Lust zu verführen. Sie wurden verheyrathet. Doch fürchtete er, man mögte diese Liebe dem heiligen Gelübde der Kreuzfahrer, das ihn band, nicht angemessen glauben, und beschloß daher, seine Vermählung bis zu seiner Rückkunft zu verheimlichen, wo er Victorien als seine rechtmäßige Gattin aufsuchen, und anerkennen wolte. Er verließ sie schwanger. Sie gebar in seiner Abwesenheit eine Tochter. Aber kaum hatte sie die Schmerzen der Mutter überstanden, als sie die traurige Nachricht von dem Tode ihres Gemahls erhielt, und daß Riccardo sein Nachfolger sey. Was konnte ein freundloses hülfloses Weib beginnen? Was galt ihr Zeugniß? Freylich, gnädiger Herr, hab' ich alles unter Brief und Siegel. – Die Greuel dieser Tage, versetzte Manfred, die wir eben erblickten, sprechen lauter als tausend Urkunden. Matilde ist ja gemordet, und ich verbannt. – Fassen Sie sich, mein Gemahl, sprach Hippolite. Dieser ehrwürdige Mann wolte Ihren Gram nicht erneuern. Geronimo fuhr fort.
    Ich will nichts erzählen, was nicht zur Sache gehört. Als Victoriens Tochter herangewachsen war, ward sie mir zur Gattin gegeben. Victoria starb, ihr Geheimniß verschloß ich in meiner Brust. Theodors Geschichte hat Ihnen das übrige erläutert.
    Der Klosterbruder schwieg. Die trostlose Gesellschaft begab sich in den Theil der Burg, der stehen geblieben war. Am Morgen darauf unterschrieb Manfred, mit Hippolitens Zustimmung, seine
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