Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
Vom Netzwerk:
das hin, was er vergebens wünschte für ein Gesicht halten zu können; und er schien minder empfindlich gegen seinen Verlust, als in Betrachtung verlohren, über den erstaunenswürdigen Gegenstand der ihn veranlaßte. Er berührte, untersuchte, den unglückbringenden Helm; selbst die blutenden zerstückelten Ueberreste des jungen Prinzen, konnten Manfreds Blicke von diesem Schreckenswunder nicht abziehn. Wer seine partheyische Zärtlichkeit für den jungen Corrado gekannt hatte, war eben so verwundert über die Unempfindlichkeit des Fürsten, als betroffen über das Zeichen des Helms. Man trug den entstellten Leichnam in die Halle, ohne darüber im geringsten Manfreds Befehl zu erhalten. Eben so wenig achtete er seiner Gemahlin und Tochter, die in der Capelle zurück blieben. Die ersten Worte aus seinem Munde waren: Sorgt für Fräulein Isabelle!
    Den Bedienten fiel dieser sonderbare Befehl nicht auf. Liebe zu ihrer Herrschaft ließ sie annehmen, daß von ihr allein die Rede seyn könne: sie eilten zu ihrem Beystand. Man brachte sie in ihr Schlafzimmer mehr todt als lebendig, und gleichgültig gegen alles seltsame das man ihr hinterbrachte, ausgenommen gegen den Verlust ihres Sohnes. Matilde, kindlicher Zärtlichkeit voll, erstickte eignen Schmerz und Entsetzen, und dachte nur darauf ihre betrübte Mutter aufzurichten und zu trösten. Isabelle, die wie eine Tochter von Hippoliten behandelt war, und diese Zuneigung mit gleicher Erkenntlichkeit und Liebe erwiederte, war kaum weniger thätig um die Fürstin; und suchte zu gleicher Zeit das Gewicht des Grams mit zu tragen und zu vermindern, das ihre Matilde zu unterdrücken strebte, für welche sie das wärmste Mitgefühl der Freundschaft empfand. Doch konnte sie gleichfalls nicht umhin an ihre eigene Lage zu denken. Corrado's Tod that ihr weiter nicht leid, als weil er schmerzlich war; und es durfte ihr nicht unangenehm seyn, einer Heyrath entbunden zu werden, die ihr wenig Glückseligkeit versprach, sowohl in Ansehung des Mannes den man ihr bestimmte, als in Rücksicht auf Manfreds strenge Stimmung, der trotz der großen Nachsicht, wodurch er sie auszeichnete, ihre Seele mit Schrecken erfüllte, indem er ohne Veranlassung gegen so liebenswürdige Fürstinnen, als Hippolite und Mathilde, hart war.
    Während die Damen der unglücklichen Mutter zu Bette halfen, blieb Manfred im Hofe, betrachtete unverwand den Verderben, verkündenden Helm, und kehrte sich nicht an die Menge, welche dieser seltsame Vorfall nach und nach um ihn versammelt hatte. Nur von Zeit zu Zeit fragte er mit kurzen Worten: ob niemand wisse, woher der Helm gekommen seyn möge? Niemand konnte darüber die geringste Auskunft geben. Da dies aber der einzige Gegenstand seiner Neugierde schien, so ahmten ihm die übrigen Zuschauer bald darin nach, deren Vermuthungen eben so ungereimt und unwahrscheinlich waren, als beyspiellos der Vorgang selbst. Mitten unter ihrem unvernünftigen Rathen, bemerkte ein junger Bauer aus einem benachbarten Dorf, den der Lärmen herbeygelockt hatte, der wunderbare Helm sehe dem außerordentlich ähnlich, welchen die schwarze marmorne Bildsäule ihres hochseligen Fürsten Alfonso des Guten, in der San Nicola Kirche trage. Bube! was sagst du? rief Manfred, der aus seiner Betäubung zu stürmischer Wuth erwachte, und den jungen Mann bey dem Kragen packte; wie darfst du solchen Hochverrath aussprechen? dein Leben büße dafür! Die Zuschauer begriffen den Grimm des Fürsten eben so wenig als alles was sie sonst gesehen hatten, und wusten sich diesen neuen Umstand nicht zu enträthseln. Noch betroffener war der junge Bauer, der gar nicht einsah, wie er den Fürsten beleidigt habe. Doch faßte er sich, entzog, ohne Anstand oder Unterwürfigkeit zu verletzen, seinen Hals dem Griffe Manfred's, beugte seine Knie vor ihm, und fragte ehrfurchtsvoll, aber freylich mehr im Gefühl der Unschuld als niedergeschlagen: worin er schuldig sey? Manfred, mehr aufgebracht über die Stärke, wie schonend sie auch gebraucht ward, womit der Jüngling sich seiner Hand entledigt hatte, als versöhnt durch seine Demuth, befahl seinen Dienern ihn anzuhalten, und würde ihn in ihren Armen erstochen haben, hätten die Freunde, die er zum Hochzeitmale eingeladen, ihn nicht zurückgehalten.
    Während dieses Wortwechsels, rannten einige der gemeinen Zuschauer in die große Kirche, die der Burg nahe stand, und kamen mit aufgesperrten Mäulern zurück, zu melden, Alfonso's Bildsäule habe ihren Helm verlohren.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher