Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
Vom Netzwerk:
Heftigkeit zu gut, um eine zweyte Unterbrechung zu wagen. Als sie sich von der Erschütterung über eine so bittere Aufnahme ein wenig erholt hatte, wischte sie ihre Zähren weg, um der Wunde zuvorzukommen, welche die Wahrnehmung derselben dem Schmerz Hippolitens hätte hinzufügen müssen, die sich sehr ängstlich nach Manfreds Gesundheit erkundigte, und wie er seinen Verlust ertrüge? Matilde versicherte sie: er sey wohl, und fasse sich in sein Unglück mit männlicher Stärke. Will er sich mir denn nicht zeigen? sprach Hippolite traurend. Will er mir nicht erlauben, meine Thränen mit den seinigen zu vermischen, und den Gram einer Mutter in den Busen des Gatten aufnehmen? Oder hintergeht mich Matilde? Ich weiß wie Manfred an seinem Sohne hieng. Ist der Streich zu schwer für ihn? ist er darunter erlegen? du antwortest mir nicht? Ach, ich fürchte das schlimmste! richtet mich auf, Kinder, ich will, ich will zu meinem Gemahl, bringt mich gleich zu ihm. Er ist mir theurer als alles! Matilde winkte Isabellen, Hippolitens Aufstehen zu verhindern; und beyde liebliche Mädchen boten jede sanfte Gewalt auf, die Fürstin zurück zu halten und zu beruhigen, als ein Diener Manfreds hereintrat, Isabellen kund zu thun, sein Herr begehre mit ihr zu reden.
    Mit mir! rief Isabelle. Gehen Sie, sagte Hippolite, für welche eine Botschaft von ihrem Gemahl wohlthätig war: Manfred kann den Anblick seiner eignen Familie nicht ertragen. Er traut Ihnen mehr Fassung zu als uns, und fürchtet den Ausbruch meiner Schmerzen. Trösten Sie ihn, theure Isabelle, und sagen Sie ihm; ich wolle lieber meinen Gram unterdrücken, als den seinigen vermehren.
    Da es jetzt Abend war, trug der Bediente, der Isabellen berief, eine Fackel vor ihr her. Als sie zu Manfred kamen, der ungeduldig in der Gallerie umher ging, stutzte er und sprach hastig: Nimm das Licht mit dir und geh! darauf zog er die Thür heftig zu, warf sich auf eine Bank an der Wand, und bat Isabellen, sich neben ihm zu setzen. Sie gehorchte zitternd. Ich schickte zu Ihnen, sprach er – und darauf schwieg er, und schien sehr verwirrt. Gnädiger Herr! – Ja, ich schickte zu Ihnen, wegen einer wichtigen Angelegenheit, fing er wieder an, – trocknen Sie Ihre Zähren, liebenswürdiges Fräulein, – Sie haben Ihren Bräutigam verloren, – grausames Schicksal! und ich die Hofnung meines Stammes! aber Corrado war Ihrer Schönheit nicht wehrt – Wie, gnädiger Herr? sagte Isabelle; können Sie mich in Verdacht haben, unempfindlich zu seyn? Nie würd' ich meiner Pflicht und Liebe so vergessen. – Denken Sie nicht mehr an ihn, unterbrach sie Manfred, er war ein kränklicher, schwächlicher Knabe, den mir der Himmel vielleicht genommen hat, damit ich die Ehre meines Hauses auf so zerbrechlichen Grund nicht bauen möge. Manfreds Geschlecht erfordert zahlreiche Sprossen. Meine thörichte Zärtlichkeit für den Knaben hat die Augen meiner Klugheit geblendet – aber jetzt ist alles besser. In wenig Jahren hoff' ich Ursache zu haben, mich über den Tod Corrado's zu freuen.
    Worte schildern Isabellens Erstaunen nicht. Anfangs fürchtete sie, der Gram habe Manfreds Verstand zerrüttet. Ihr nächster Gedanke war, diese seltsame Rede habe zur Absicht, ihr eine Schlinge zu legen; sie fürchtete, Manfred habe ihre Gleichgültigkeit gegen seinen Sohn bemerkt; und in dieser Voraussetzung erwiederte sie: gnädiger Herr, seyn Sie so gütig, keine Zweifel in meine Gefühle zu setzen; ich hätte meine Hand nicht ohne mein Herz vergeben. Corrado würde meine ganze Zuneigung besessen haben; und wohin mich auch mein Schicksal trägt, da werd' ich immer sein Gedächtnis theuer halten, und Ihre Hoheit und die würdige Fürstin Hippolite, als meine Eltern verehren.
    Verflucht sey Hippolite! rief Manfred, vergessen Sie ihrer mit mir von diesem Augenblick an. Kurz, Fräulein, Sie haben einen Gemahl verlohren der Ihrer Reize nicht wehrt war: jetzt sollen sie einen bessern Besitzer finden. Statt eines siechen Knaben, erhalten Sie einen Mann in der Fülle seiner Kraft, der Ihre Schönheit zu schätzen weiß, und Ihnen eine zahlreiche Nachkommenschaft gewähren wird. Ach! gnädigster Herr, sagte Isabelle, das Unglück welches Ihrer Familie zugestoßen ist, beschäftigt meine Seele mit so traurigen Vorstellungen, daß ich an keine andere Heyrath denke. Kommt mein Vater jemals zurück, so werde ich mich in seinen Willen fügen, wie ich that, da ich meinen Willen darin gab, Ihren Sohn zu ehelichen. Bis zu seiner Rückkehr
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher