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Das Schloss von Otranto

Titel: Das Schloss von Otranto
Autoren: Horace Walpole
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Manfred gerieth bey dieser Nachricht vollends außer sich; und, als sucht' er einen Gegenstand an welchem er den Sturm in seiner Brust auslassen könnte, stürzt' er von neuem auf den jungen Landmann zu, und rief: Sclave! Ungeheuer! Zauberer! du hast dies gethan! du hast meinen Sohn erschlagen! Dem Pöbel fehlte lange ein Vorwurf, dem Maas seiner Fähigkeiten angemessen, um seine in der Irre laufenden Gedanken daran fest zu halten, er schnappte das Wort aus dem Munde seines Herrn, und hallte wieder: Ja! ja! er ist es, er ist es! Er hat den Helm vom Denkmal des guten Alfonso gestohlen und unsers jungen Prinzen Gehirn damit zerschmettert! Daran dachten sie nicht, welch ein ungeheurer Unterschied sey, zwischen dem Marmorhelm der in der Kirche gewesen war, und dem stählernen vor ihren Augen; auch wie unmöglich es sey, daß ein Jüngling, dem man noch nicht zwanzig Jahre ansah, ein Rüststück von so erstaunlichem Gewicht handhaben können.
    Die Albernheit dieser Ausrufungen brachte Manfred wieder zu sich. Doch verdroß es ihn, daß der Bauer der Aehnlichkeit beyder Helme erwähnt, und dadurch Gelegenheit gegeben habe, die Abwesenheit des kirchlichen zu bemerken; vielleicht wünschte er auch, jedes Gerücht davon unter eine so ungereimte Vermuthung zu begraben; also sprach er das ernste Urtheil: der junge Mann sey gewiß ein Schwarzkünstler, und bis die Kirche von der Sache Kundschaft nehmen könne, wolle er den Zauberer, der sich so verrathen habe, unter dem Helme selbst gefangen halten. Diesen ließ er daher von seinen Dienern empor heben und den Jüngling darunter stecken; mit der Erklärung: man solle ihm dort keine Nahrung reichen, damit möge seine eigne höllische Kunst ihn versehen. Vergeblich machte der Jüngling Vorstellungen, gegen diesen Richterspruch ohne Untersuchung, vergeblich suchten Manfreds Freunde ihn von diesem wunderlichen und ungegründeten Entschluß abzuziehn. Der große Hause war entzückt über die Entscheidung seines Gebieters. Seiner Meinung nach war sie in hohem Grade gerecht, sie strafte ja den Zauberer durch das nemliche Werkzeug, womit er gesündigt hatte. Auch empfand er nicht das geringste Beyleid, durch den Gedanken an die Möglichkeit, daß der Jüngling verhungern könne, denn er glaubte festiglich, den werde seine teuflische Geschicklichkeit gar leichtlich mit Nahrung versorgen. Dergestalt sah Manfred seine Befehle freudig befolgt; bestellte eine Wache, mit gemeßnem Befehl, dem Gefangenen keine Lebensmittel zukommen zu lassen; entließ seine Freunde und Diener, und ging auf sein Zimmer, nachdem er die Thore der Burg verschlossen, worin er nur seinen Hausgenossen zu bleiben verstattete.
    Unterdessen hatten die Sorgfalt und der Eifer der jungen Damen die Fürstin Hippolite wieder zu sich gebracht, die mitten in der Heftigkeit ihres eignen Schmerzes oft Nachricht von ihrem Gemahl zu haben verlangte, ihr Gefolge gern verlassen hätte um über ihn zu wachen, und endlich Matilden gebot sie zu verlassen, um ihren Vater zu besuchen und zu trösten. Matilde, der es an liebevoller Ergebenheit gegen ihren Vater nie gebrach, obwohl sie vor seinem rauhen Wesen zitterte, gehorchte den Befehlen Hippolitens, die sie ihrer Freundin mit Thränen empfahl. Sie fragte die Bedienten nach ihrem Vater, und erfuhr, er sey auf sein Zimmer gegangen, woselbst er verboten habe irgend jemanden vor ihm zu lassen. Sie schloß, er sey im Gram über den Tod ihres Bruders verlohren, und fürchtete seine Thränen mögten sich bey dem Anblick des einzigen ihm übrig gebliebenen Kindes erneuern, darum stand sie an, ob sie sich zu seiner Betrübnis drängen solle; doch ihre Besorgniß für ihn, und die Zuversicht auf die Befehle ihrer Mutter, gaben ihr den Muth seinem Gebot nicht zu gehorchen. Diesen Fehler beging sie zum erstenmal. Die zarte Schüchternheit ihrer Seele verweilte sie einige Minuten an seiner Thüre. Sie hörte ihn in unregelmäßigen Schritten das Zimmer auf und abgehen; dieser Unmuth vermehrte ihre Bedenklichkeit. Dennoch war sie eben im Begrif um Zulassung zu bitten, als Manfred plötzlich die Thür aufriß, und, da es Dämmerung war, die zu der Verwirrung seines Gemüths hinzukam, die Person nicht gleich erkannte, sondern zornig fragte: wer ist da? Matilde antwortete zitternd: Mein theurer Vater, ich bin es, Ihre Tochter. Manfred trat hastig zurück, und rief: Geh, ich bedarf keiner Tochter! und damit wandte er sich um, und warf die Thür vor der erschrockenen Matilde zu.
    Sie kannte ihres Vaters
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