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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jahr gewachsen, eine richtige, junge, hübsche Dame war sie geworden. Auch Andreas hatte einen Schuß getan. Schlaksig, dünnbeinig in seinen kurzen Lederhosen, stand er neben der Mutter und hielt deren Hand fest.
    Stark sein, Mama. Ganz stark.
    Es ist ja unser Vater. Da steht er doch! Auch wenn er uns nicht mehr erkennt … er bleibt unser Vater …
    »Mein Besuch!« Sassner breitete die Arme aus. »Willkommen! Hatten Sie eine gute Fahrt? Entschuldigen Sie, wenn ich Sie nicht mit Blumen empfange. Ich komme nicht in die Stadt, und etwas von den Rabatten abrupfen wollte ich nicht. Gehen wir im Park spazieren?«
    Der Besuch dauerte drei Stunden. Sassner spielte mit seinen Kindern Handball, und Luise saß auf einer weißen Bank im Schatten und sah ihnen glücklich zu.
    Was hatte sich geändert?
    Daß er die Kinder nicht mehr erkannte, daß er seiner Frau einen Handkuß gab und ihr einen schönen Gruß an den Gatten auftrug? Was machte das schon aus? Er war da, lachte und spielte Ball, er sah gesund aus und war dem Leben zurückgegeben … auch wenn es ein Leben war in der Begrenzung von Hohenschwandt. Er war wieder ein Mensch geworden. Was wollte man vom Schicksal mehr?
    Bevor sie abfuhren und versprachen, in vierzehn Tagen wiederzukommen, bat Professor Dorian sie noch einmal zu sich. Er wehrte sich, als Luise seine Hand ergreifen wollte, und legte dann den Arm um sie, als sie stumm weinte und nichts mehr zu sagen wußte. Es gibt ein Glück, das keine Worte mehr findet.
    »Das ist der Anfang«, sagte Dorian, als Luise und die Kinder mit ihm am Fenster standen und in den Garten hinunterblickten. Dr. Keller und Dr. Kamphusen spielten Schlagball gegen Angela und Gerd Sassner. Er hatte seinen Rock und sein Hemd ausgezogen … breit und braun war sein Oberkörper, muskulös und von männlicher Schönheit. »Wir haben ihn zurückgeholt in die reale Welt. Nun wird es darauf ankommen, ihm den Geist, die schöpferische Intelligenz wiederzugeben.«
    »Das ist doch unmöglich«, flüsterte Luise Sassner. Sie ließ den Blick nicht von ihrem Mann, sie nahm dieses Bild kraftvollen Menschentums in sich auf wie ein Süchtiger seine Droge. »Das geht doch nicht …«
    »Wir versuchen es. Tausende Wissenschaftler in aller Welt bemühen sich um das Gehirn, das Heiligtum des Menschen. Wir sind schon viele Schritte vorwärtsgekommen. Es gibt die Ribonukleinsäure, den Stoff, der die Auffassungsgabe mobilisiert, es gibt die Substanz DNS, eine Eiweißverbindung, die im Hirn das Wissen speichert, und es gibt den Anregerstoff Magnesium-Pemolin, auch Cylert genannt, eine Chemikalie, die das Hirn anregt, selbst mehr RNS zu produzieren. Alles ist im Fluß, die letzten Geheimnisse des Menschen werden entschleiert. In ein, zwei oder drei Jahren werde ich Ihrem Mann vielleicht zehn Injektionen geben, und Sie können ihn mitnehmen als den besten Gerd Sassner, den es je gegeben hat.«
    »Das ist zu phantastisch, Herr Professor. Das kann ich Ihnen nicht glauben.« Luise drückte die Stirn gegen die Fensterscheibe.
    Sassner sah so herrlich gesund aus, wie er den Schläger schwang und der kleine Lederball zischend durch die Luft davonflog.
    »Kann ich ihn schon nächste Woche besuchen?« fragte Luise leise.
    »Jederzeit.«
    »Danke, Herr Professor.«
    Bevor sie wegfuhren, standen sie noch am Zaun und sahen den Spielenden zu. Gerd Sassner bemerkte sie und winkte ihnen.
    »Gute Fahrt!« rief er. »Hoffentlich sehen wir uns bald wieder!«
    »Bestimmt.« Luise riß sich von seinem Anblick los. Sie lief zu dem wartenden Auto und ließ sich auf den Hintersitz fallen. Dorle und Andreas folgten langsamer. Der Chauffeur ließ den Motor an.
    »Wie geht es dem gnädigen Herrn?« fragte er betreten, als niemand etwas sagte. Er war seit zehn Jahren Chauffeur bei Sassners.
    »Gut. Sehr gut.« Luise raffte alle Kraft zusammen. »Der Professor hofft, ihn bald wieder ganz gesund zu machen. Mit neuen Methoden, ganz neuen Mitteln …«
    »Das ist schön.« Der Chauffeur ließ den Wagen anrollen. »Es macht einen glücklich, wenn man solche Hoffnung haben kann.«
    »Das stimmt, Ludwig.« Luise wandte sich um und sah zurück auf das langsam verschwindende Schloß Hohenschwandt. Sie war plötzlich ganz ruhig und zufrieden, ja, sie glaubte sogar an das, was Dorian ihr gesagt hatte, so phantastisch es auch geklungen hatte.
    Hoffnung – was gibt es Schöneres im Leben?
    Was wäre der Mensch ohne Hoffnung?
    Gerd Sassner hatte sein Schlagballspiel unterbrochen und war an die Hecke
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