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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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geht alles weiter wie bisher«, sagte Dr. Maier. »Die Auftragslage ist sehr gut. In den Labors gelingen neue Präparatmischungen. Die Werke werden ganz im Geiste Ihres verehrten Gatten weitergeführt.«
    Nach einem halben Jahr gelang es Professor Dorian, Gerd Sassner zu sich nach Hohenschwandt zu holen. Ein erbitterter Kampf mit der Staatsanwaltschaft war vorausgegangen, sogar der Justizminister wurde eingeschaltet. Immer hieß es: Es ist nicht die Garantie gegeben, daß Sassner nicht entfliehen kann. Die Klinik Hohenschwandt hat nicht die nötigen Sicherheitsvorrichtungen. Sie ist ein Schloß, ein luxuriöses Krankenhaus, in dem es einem Genie des Wahnsinns, wie es Sassner ist, leichtgemacht wird, in die Freiheit zu entfliehen. Was dann geschieht, ist gar nicht auszudenken.
    Professor Dorian entschloß sich, auf der zweiten Etage von Hohenschwandt eine ausbruchsichere Apartmentwohnung zu bauen. Dicke Wände wurden eingezogen, schalldicht und nicht zu durchbrechen, Doppeltüren, davon die äußere aus Stahl, vergitterte Fenster, aber nicht klobig wie in den Gefängnissen, sondern südlich heiter, weiß gestrichen und mit runden Ornamenten.
    Zwei Kommissionen nahmen die Luxuszelle Sassners ab, dann entschloß man sich, den Patienten nach Hohenschwandt zu verlegen.
    »Sie müssen einen guten Draht nach oben haben«, sagte der Oberstaatsanwalt anzüglich zu Dorian, als die Grüne Minna den Kranken abholte. »Von mir hätten Sie ihn nie bekommen! Sie wollen ihn tatsächlich noch einmal operieren?«
    »Ja«, antwortete Dorian knapp.
    »Wozu? Der Mann ist doch ein Tier.«
    »Dann würde ich nichts an ihm tun. Aber er ist ein enthemmter Mensch … das ist das Schrecklichste auf dieser Welt!«
    »Und Sie können das durch Operation beseitigen?« fragte der Staatsanwalt zweifelnd.
    »Ich weiß es nicht.« Professor Dorian hob die Schultern. »Man weiß nie hundertprozentig, was daraus wird, wenn man ein Skalpell ansetzt. Selbst ein Blinddarm hat Probleme, große sogar! Wieviel mehr ein Gehirn!«
    »Na gut.« Der Oberstaatsanwalt lächelte mokant und sah hinüber zu der Grünen Minna, hinter deren engem Gitterfenster Sassner in seiner winzigen Transportzelle hockte. »Versuchen Sie es. Viel verderben können Sie ja nicht mehr an ihm.«
    Eine Woche lebte Gerd Sassner nun schon in seiner Wohnung in Hohenschwandt und wurde von Dr. Keller und Dr. Kamphusen, den neuen Freunden, beobachtet. Dorian kam zweimal zu ihm und unterhielt sich mit ihm.
    »Ich weiß, wo ich bin«, sagte Sassner einmal und lächelte tiefgründig. »Man hält mich für verrückt! Man will mich ausschalten. Aber ich teile dieses Schicksal mit vielen großen Entdeckern. Denken Sie an Koch, als er die Viren entdeckte. Welches Gelächter! Würmchen im Blut! Erinnern Sie sich an Semmelweiß. Hände waschen vor der Geburtshilfe … als ob davon das Kindbettfieber käme! – Sie sehen, ich bin ganz ruhig, ja gelassen. Ich weiß, daß meine Idee sich einmal durchsetzen wird. Die neue Generation, die jungen Ärzte, werden sie aufnehmen und weitertragen zum Sieg.«
    So ging es eine Woche lang, dann sagte Professor Dorian eines Abends: »Meine Herren, morgen werden wir Sassner auf den Tisch nehmen. Alle Tests sind zufriedenstellend, Blutbild, Kreislauf, Herz, Gesamtkonstitution – ich wüßte nicht, warum wir noch warten sollten.« Er sah seine Ärzte an und lächelte ermunternd. »Morgen früh acht Uhr. Wir machen eine Topektomie. Wenn Sie einmal hersehen wollen …« Dorian drehte das Licht im Röntgenbildbetrachter an. Eine schematische Darstellung der Hirnteile leuchtete auf, klassifiziert nach Brodmann. Mit einer langen Kanüle begann Dorian, seinen Operationsplan zu erklären. Er sprach nüchtern und ohne Erregung, wie auf einem Kolleg für Studenten.
    »Im Jahre 1948 wurde die von Moniz angewandte präfrontale Leukotomie modifiziert. Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Ärzten der Columbia-Greystone-Associates entdeckte, daß sich durch eine ausgewählte partielle Abtragung von Frontalrindenteilen vorzügliche Ergebnisse erzielen ließen. Der Neuroanatom Mettler wertete diese selektiven Rindenexzisionen bei psychotischen Menschen aus, andere bei hochgradigen Wahnsinnigen. Es ging darum, bestimmte Persönlichkeitsdefekte stillzulegen, Triebe zu eliminieren und die Kranken in einer bestimmten Grenze zu resozialisieren. Lawrence-Pool operierten als erste. Die besten Ergebnisse erreichte man mit der Entfernung der Areen 9, 10 und 46 nach Brodmann. Es sind die
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