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Das Schloß der blauen Vögel

Das Schloß der blauen Vögel

Titel: Das Schloß der blauen Vögel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weißhäutigen, üppigen Körper, bis auch das letzte Zittern in ihm erlosch. Dann deckte er Ilse Trapps zu, ordnete ihre verstreut im Zimmer herumliegenden Kleider, nahm einen Waschlappen und rieb alles ab, was er berührt hatte … den Tisch, die Stuhllehne, die Ledertasche, sogar den toten, bleichen Körper, schüttete dann eine ganze Flasche Parfum über Ilses Leib und verrieb den duftenden Alkohol, damit keine Spur von Fingerabdrücken zurückblieb.
    Gegen acht Uhr morgens verließ er das Haus, nachdem er das Zimmer abgeschlossen hatte. Niemand beachtete ihn. In der Fischbraterei im Parterre war schon Hochbetrieb.
    Irgendwo in einer Hafenecke, im Schatten eines Lagerschuppens, nahm er seine schwarzhaarige Perücke ab, wickelte den Zimmerschlüssel hinein und warf beides in das brackige Hafenwasser. Blond, mit einer Brille auf der Nase, eher wie ein Büroangestellter aussehend, ging er dann zurück zu einer Bushaltestelle und fuhr in das Stadtinnere.
    Seine Spur verwischte sich völlig. Es war ein perfektes Verbrechen. Ilse Trapps fand man erst nach zwei Tagen. Die Zimmerwirtin wollte das Bettzeug waschen, bekam auf minutenlanges Klopfen keine Antwort und ließ schließlich von drei kräftigen Fischern die Tür eintreten.
    Den Mörder faßte man nie. Die Mordkommission rechnete auch gar nicht damit. Ein Dirnenmord ist immer ein Verbrechen voll undurchdringlicher Dunkelheit.
    Die einzigen, die sich über diesen Mord freuten, waren die Studenten der Hamburger Pathologie. Sie klatschten in die Hände, als man den von der Staatsanwaltschaft freigegebenen Körper von Ilse Trapps, die keine Verwandten besaß, auf den Seziertisch legte.
    Zum erstenmal in ihrem Leben tat sie etwas Nützliches: Sie demonstrierte jungen Medizinern, wo Muskeln, Nerven, Sehnen, Knochen und Adern in einem menschlichen Körper zu suchen sind …
    Das wäre eigentlich das Ende der Geschichte von dem Chemiker, Fabrikbesitzer und Familienvater Gerd Sassner, der durch eine Hirnoperation sein Wesen verlor, nachdem der Krieg den Keim seiner Persönlichkeitsauflösung gelegt hatte.
    Aber es ist nicht das Ende.
    Es gibt immer wieder einen neuen Anfang. Ein Haus brennt ab … man baut es wieder neu. In einer Sturmnacht wird ein Deich zerrissen … man flickt ihn, macht ihn höher und fester. Eine Stadt wird zerstört von Tausenden Bomben … und es sind immer wieder Menschen da, die aus den Trümmern klettern, aus Kellern und Löchern, und eine neue Stadt erbauen.
    Ein Mensch wird zerstört … Soll er das einzige sein, was nicht zu reparieren ist?
    Gerd Sassner blieb nicht lange in der Landesklinik. Er bekam dort eine Einzelzelle, weil man erwartete, er würde wie ein Berserker toben, wenn er aus der Betäubung erwachte. Er tat es nicht. Er saß still, in sich gekehrt, nachdenklich auf seiner Pritsche und ließ sich durch die Kontrollklappe in der Tür bestaunen.
    Das ist er! Die Bestie. Der Irre, der aus Menschen Vögel machen wollte. Der Verrückte, der die Dummheit aus den Hirnen waschen wollte. Da sitzt dieses Monstrum, das aussieht wie ein Mensch, aber keiner mehr ist!
    Der Oberstaatsanwalt, der mit Sassner sprach, kam etwas benommen aus dem Verhör zurück. Er hatte sich mit Sassner über Musik unterhalten. Ein Satz vor allem blieb ihm im Gedächtnis: »Man könnte die besten Sänger aller Zeiten züchten, wenn man ihnen alle anderen Löcher außer dem Mund zunähte. Aus den anderen Löchern entweicht zuviel ungenutzte Luft! Wenn alle Luft nur durch den Mund, über Stimmbänder und Kehle, striche, dann gäbe es Sänger, deren Stimmen die Wände erzittern ließen.«
    Von seinen Taten im ›Gasthaus zur Eiche‹ wußte Sassner nichts mehr. Er wußte nur: Ich habe Menschen glücklich gemacht.
    »Sassner ist im Sinne des Strafgesetzbuches nicht strafbar«, sagte der Oberstaatsanwalt. »Er ist vollkommen irr. Einen Prozeß zu eröffnen ist sinnlos, hinausgeworfene Zeit und verschenktes Geld. Das einzige ist seine Einweisung in eine Heilanstalt mit verschärfter Kontrolle. Nicht auszudenken, wenn es ihm gelänge, auszubrechen.«
    So kam Gerd Sassner zunächst in eine Heilanstalt. In die geschlossene Abteilung. In das Haus der Aufgegebenen. Er zog in ein Grab.
    Luise durfte ihn nicht besuchen, aber die Anwälte der Sassner-Werke hatten nun freie Hand und arbeiteten schnell. Sassner wurde entmündigt, Luise erhielt alle Vollmachten. Sie übernahm die Leitung der Chemischen Werke und verließ sich dabei völlig auf den ersten Direktor Dr. Maier.
    »Es
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