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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy
Autoren: Still Missing
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Chevy
Stevens
     
    STILL MISSING
    KEIN ENTKOMMEN
     
    Aus dem
Amerikanischen von Maria Poets
     
    Die
Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel >Still Missing< 2010
     
    1. Sitzung
     
    Wissen
Sie, Doc, Sie sind nicht die erste Therapietante, der ich gegenübersitze, seit
ich wieder zu Hause bin. Mein Hausarzt hatte mir einen Therapeuten empfohlen,
gleich nachdem ich wieder da war, aber das war echt ein totaler Reinfall. Der
Typ hat tatsächlich versucht, so zu tun, als wüsste er nicht, wer ich bin. So
ein Idiot! Man müsste blind und taub sein, um es nicht zu wissen. Zum Teufel,
sobald ich mich umdrehe, springt hinter irgendeinem Busch wieder so ein
Mistkerl mit 'ner Kamera hervor. Und bevor die ganze Sache passiert ist? Da hat
kein Mensch Vancouver Island gekannt, geschweige denn Clayton Falls. Wenn Sie
jetzt die Insel erwähnen, wette ich mit Ihnen, dass dem anderen dazu als
Erstes einfällt: »Ist da nicht diese Maklerin entführt worden?«
    Selbst die
Praxis von dem Typen war total daneben - schwarze Ledersofas, Plastikpflanzen
und verchromter Schreibtisch. Genau das Richtige, damit die Patienten sich wohl
fühlen. Und alles natürlich picobello aufgeräumt. Seine Zähne waren das einzig
Schiefe in diesem verdammten Raum, und wenn Sie mich fragen, kann mit einem
Typen, der auf seinem Schreibtisch die Stifte der Größe nach sortiert, aber es
nicht fertigbringt, seine Zähne richten zu lassen, irgendetwas nicht stimmen.
    Als Erstes
fragte er mich nach meiner Mom, und dann versuchte er tatsächlich, mich dazu zu
bringen, die Farbe   meiner Gefühle mit Buntstiften auf einen Block zu malen.
Als ich fragte, ob das sein Ernst sei, erklärte er mir, ich würde mich gegen
meine Gefühle wehren und dass ich mich »dem Prozess öffnen« müsse. Zum Teufel
mit ihm und seinem Prozess. Zwei
Sitzungen habe ich durchgehalten. Die meiste Zeit habe ich darüber nachgedacht,
ob ich ihn umbringen soll oder mich.
    Es hat bis
Dezember gedauert - seit vier Monaten bin ich jetzt wieder zu Hause -, um es
noch einmal mit einer Therapie zu versuchen. Ich hatte mich schon fast damit
abgefunden, dass ich jetzt eben nicht mehr alle Tassen im Schrank habe, aber
die Vorstellung, mich für den Rest meines Lebens so zu fühlen ... Der Text auf
Ihrer Website ist irgendwie witzig, für 'ne Therapeutin jedenfalls, und Sie
sehen nett aus - hübsche Zähne übrigens. Und was noch besser ist, Sie haben
nicht tausend Abkürzungen vor Ihrem Namen, von denen kein Mensch weiß, was sie
bedeuten. Ich will nicht den Größten und Besten. Das bedeutet doch nur ein
fettes Ego und eine noch fettere Rechnung. Es ist mir sogar egal, dass ich
eineinhalb Stunden fahren muss, um hierherzukommen. So komme ich mal aus
Clayton Falls raus, und bisher habe ich noch keinen Reporter auf meiner
Rückbank entdeckt.
    Aber
verstehen Sie mich nicht falsch, nur weil Sie aussehen wie die Großmutter von
jemandem - Sie müssten eigentlich stricken, anstatt sich Notizen zu machen -,
bin ich noch lange nicht gerne hier. Und Sie wollen, dass ich Nadine zu Ihnen
sage? Ich bin mir nicht sicher, was das zu bedeuten hat, aber lassen Sie mich
raten. Ich soll Sie mit Vornamen anreden, damit ich das Gefühl habe, wir seien
dicke Freundinnen und dass es okay sei, Ihnen den Kram zu erzählen, an den ich
mich nicht erinnern und über den ich erst recht nicht sprechen will. Ist es so?
Sorry, aber ich bezahle Sie nicht dafür, meine Freundin zu sein. Wenn es Ihnen
nichts ausmacht, würde ich gerne bei Doc bleiben.
    Und wenn
wir schon einmal dabei sind, lassen Sie uns gleich noch etwas klarstellen, ehe
wir uns ins Vergnügen stürzen. Wenn wir das hier durchziehen wollen, dann machen
wir es auf meine Art. Das bedeutet: keine Fragen von Ihnen. Nicht einmal ein
hinterlistiges kleines »Wie fühlen Sie sich, wenn ...«. Ich erzähle die
Geschichte von Anfang an, und wenn ich hören will, was Sie dazu zu sagen
haben, werde ich es Sie wissen lassen.
    Ach, und
für den Fall, dass Sie sich fragen, ob ich schon immer so eine Zicke war? Nein.
     
    An jenem
ersten Sonntagmorgen im August döste ich ein bisschen länger im Bett als
gewöhnlich, während mein Golden Retriever, Emma, mir ins Ohr schnarchte. Ich
hatte nicht oft Gelegenheit zum Faulenzen. In diesem Monat hatte ich mir den
Hintern aufgerissen wegen dieses Apartmentkomplexes direkt am Wasser. Für
Clayton Falls ist ein Neubau mit hundert Eigentumswohnungen eine große Sache,
und ich und ein anderer Makler waren noch im Rennen. Ich
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