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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
Autoren: Anne Enright
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Blasse Hände, die ich liebte, neben Shalamar
    An einem Samstagabend vor Weihnachten hatte ich mit einem Typen Sex und gab ihm meine Nummer. Er hatte etwas an sich, was mich hätte ahnen lassen können, dass er genau die Sorte Mann war, die anruft. Als Fintan ans Telefon ging, war ich ausnahmsweise einmal fast dankbar. Durch die Schiebetür konnte ich ihn hören.
    »Ja, sie ist da. Sie ist in der Küche und isst gerade was Totes.«
    Dann: »Nein, ich bin kein Vegetarier.«
    Und dann: »Was Totes eben. Ich meine Typen wie dich.«
    Ich sagte: »Gib mir den Hörer, Fintan.«
    Als das Gespräch beendet war, warf ich den Rest meines Abendessens weg, ging ins Wohnzimmer und setzte mich. Fintan sah sich einen Dokumentarfilm über Flughäfen an, der sich als ziemlich witzig erwies. Als der Film zu Ende war, stand ich auf, um ins Bett zu gehen, und Fintan blickte zu mir auf und sagte: »Geh du nicht sanft.«
    Und ich antwortete: »Gute Nacht, Fintan. Gute Nacht, Liebling. Gute Nacht.«
     
    Beinahe wäre ich mit Fintan gegangen, das war, bevor ihm die Diagnose gestellt wurde. Jetzt wohnen wir zusammen,
und die Leute fragen mich: Ist das nicht ein bisschen zu gefährlich? Dabei ist er der sanftmütigste Mann, den ich kenne. Die Aschenbecher waren das größte Problem, immer dieser Dreck. Schließlich sagte ich es ihm eines Tages beim Abwasch, und er verschwand für eine Woche. Dann war er eines Abends wieder da und saß auf dem Sofa, in der Hand eine Messingdose mit einem abscheulichen Sprungdeckel. Ich fragte: »Wo hast du die denn her, aus Indien?« Er sah mich nur an. Jetzt hört man ihn überall im Haus klicken und klacken. Es ist, als asche jemand in eine Mausefalle hinein, was mich aber noch immer lächeln lässt.
    Ansonsten kann ich nicht klagen. Zwar wäre es mir lieber, er würde seine Klamotten öfter mal waschen, aber ich glaube, mit dem Geruch fühlt er sich wohler. Ich mich im Grunde auch. Er erinnert mich an die Zeit, als ich ihn fast geliebt hätte, damals im College, als es den ganzen Tag regnete, als niemand Heizung hatte und man einem Mann als Erstes den Rüssel unter den Pullover steckte und schnüffelte.
    Heute ist er dünner, und seine Hände zittern. Im Haus behält er seinen Mantel an und verbringt viel Zeit damit, mitten im Zimmer die Luft anzustarren – nicht die Decke oder die Wände, sondern die Luft selbst.
    Aber auf so was darf man nicht vertrauen. Ich wäre die Letzte, die das tut. Persönlich glaube ich, dass er keiner Fliege was zuleide tun könnte, trotzdem überprüfe ich seine Medikamente, wenn er nicht da ist. Und doch stimmte, was er an dem Abend gesagt hat, als das Telefon läutete – ich aß gerade was Totes. Ich saß in der Küche,
wo das Kondenswasser an der schwarzen Fensterscheibe herunterlief, und stocherte in der Carbonara herum, als handele es sich um sämtliche Männer, die ich verschlissen oder verpasst hatte. Sämtliche Männer, die ich verpasst oder denen ich den Laufpass gegeben hatte. Wenn’s ein Lied wär, könnte man’s singen. Wenn’s ein Lied wär, könntest du’s noch einmal spielen, Sam.
    Ich ging raus, griff nach dem Hörer, sagte »Hallo?« und starrte Fintan so lange an, bis er die Diele räumte. »Tut mir leid.«
    »Bist du’s?«, fragte der Typ am anderen Ende. »Bist du’s?«
    Dann stellte er sich vor – ziemlich merkwürdig, wenn man bereits miteinander im Bett gewesen ist. Anschließend wollte er sich mit mir »verabreden«. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als ich anfing auszugehen, gab’s so was nicht. Man traf die Leute ganz zufällig. Man blieb noch auf einen Drink, dann, wieder durch Zufall, bis zur Sperrstunde und schließlich, durch ein Wunder, durch ein Ungeschick, durch ein Versehen, einen Ausrutscher, die ganze Nacht. (Ich kann euch sagen, das war ganz schön schlimm, so ein Ausrutscher, ein richtiger Unfall. Genauso schlimm wie mit dem Auto.) Das ungefähr dachte ich in der Küche, während die Pasta durch Ei und Sahne glitschte. Wie bringe ich es bloß fertig? Wie baue ich mit dem gottverdammten Wagen einen Unfall?
    »Wie wär’s mit Freitagabend?«, fragte er.
    »Wie bitte?«
    »Oder Mittwoch?«

    In der Dunkelheit der Diele schaute ich in einem imaginären Kalender nach und lauschte dem Besetztzeichen noch eine Weile, nachdem der Typ aufgelegt hatte.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn mochte. Das war alles.
    Das Abendessen mit ihm war schon seltsam. Ich sollte aufhören, über mein Leben zu jammern, aber ich saß in einem
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