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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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Schutzengel«, sagte Miss Marple. »Mr Rafiel war immer außerordentlich großzügig.«
    Ihre Hand fuhr unters Kopfkissen und holte eine Pfeife hervor. Der Pfiff war ohrenbetäubend und hätte jeden Polizisten aus dem entlegensten Winkel herbeigeholt. Eine unglaubliche Pfeife. Zwei Dinge geschahen fast gleichzeitig: Die Tür zum Hur öffnete sich. Clotilde fuhr erschrocken herum. Miss Barrow stand im Türrahmen. Im gleichen Augenblick ging die Tür des Kleiderschranks auf, und Miss Cooke trat heraus. Sie erinnerten in nichts mehr an die beiden freundlich plaudernden Damen vom Abend. Ein Ausdruck grimmiger Entschlossenheit lag auf ihren Gesichtern.
    »Zwei Schutzengel«, sagte Miss Marple glücklich. »Mr Rafiel war immer sehr großzügig.«

21
     
    » W ann merkten Sie«, fragte Professor Wanstead, »dass die beiden Frauen Privatdetektivinnen waren, die Sie zu Ihrem Schutz begleiteten?«
    Er beugte sich in seinem Sessel vor und schaute die weißhaarige alte Dame nachdenklich an, die ihm gegenüber aufrecht auf einem Stuhl saß. Sie befanden sich in einem Londoner Regierungsgebäude, und es waren noch vier andere Personen anwesend: ein Beamter der Staatsanwaltschaft, Sir James Lloyd von Scotland Yard und Sir Andrew McNeil, der Direktor des Manstone-Gefängnisses; die vierte Person war der Innenminister.
    »Erst gestern Abend«, sagte Miss Marple. »Bis dahin hatte ich noch keine Gewissheit. Miss Cooke war nach St. Mary Mead gekommen, und ich hatte sehr schnell heraus, dass sie nicht das war, wofür sie sich ausgab: eine leidenschaftliche Gärtnerin, die ihrer Freundin bei der Gartenarbeit half. Mir wurde klar, dass sie sich nur vergewissern wollte, wie ich aussah, doch ich verstand den Grund nicht. Als ich sie auf der Reise wieder erkannte, fragte ich mich, ob sie die Rolle einer Beschützerin spielte oder ob ich die beiden Frauen als Vertreterinnen der Gegenseite anzusehen hätte.
    Erst gestern Abend bekam ich Gewissheit, als Miss Cooke mich daran hinderte, eine Tasse Kaffee zu trinken, die Clotilde Bradbury-Scott vor mich hingestellt hatte. Sie machte es sehr geschickt, aber ich begriff, dass es eine Warnung war. Später, als sie sich verabschiedeten, nahm die eine meine beiden Hände und drückte sie besonders herzlich. Dabei steckte sie mir etwas zu, das sich als eine sehr lautstarke Pfeife entpuppte. Ich nahm sie mit ins Bett, akzeptierte dankend das Glas Milch, das meine Gastgeberin mir aufdrängte, und wünschte ihr gute Nacht, wobei ich mir Mühe gab, so freundlich und natürlich zu sein wie immer.«
    »Aber Sie tranken die Milch nicht?«
    »Natürlich nicht«, sagte Miss Marple. »Wofür halten Sie mich?«
    »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Professor Wanstead. »Es überrascht mich, dass Sie die Tür nicht abschlossen.«
    »Das wäre ganz falsch gewesen«, sagte Miss Marple. »Ich wollte, dass Clotilde Bradbury-Scott hereinkam. Ich wollte erfahren, was sie tun oder sagen würde. Ich war überzeugt, dass sie hereinkommen würde, denn sie musste sich vergewissern, dass ich die Milch getrunken hatte und in einen Tiefschlaf gesunken war, aus dem ich wahrscheinlich nicht mehr erwacht wäre.«
    »Halfen Sie Miss Cooke, sich im Kleiderschrank zu verstecken?«
    »Nein. Ich war sehr überrascht, als sie plötzlich herauskam. Ich nehme an«, sagte Miss Marple nachdenklich, »dass sie schnell hineingeschlüpft ist, während ich – während ich im Badezimmer war.«
    »Sie wussten, dass die beiden Frauen im Haus waren?«
    »Ich nahm an, dass sie in der Nähe sein würden, da sie mir die Pfeife gegeben hatten. Es wird nicht schwierig gewesen sein, ins Haus hineinzukommen, es sind keine Rollläden da und keine Alarmanlage. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, kamen beide zurück – unter dem Vorwand, etwas vergessen zu haben. Wahrscheinlich haben sie bei der Gelegenheit schnell ein Fenster von innen geöffnet und sind dann eingestiegen, während die Schwestern und ich schon auf dem Weg nach oben waren, um ins Bett zu gehen.«
    »Sie haben viel gewagt, Miss Marple.«
    »Ich war optimistisch«, sagte Miss Marple. »Manchmal muss man etwas wagen, ohne Risiko geht es im Leben nicht.«
    »Ihr Hinweis wegen dem Paket an die Wohlfahrtsorganisation hatte Erfolg. Es enthielt einen nagelneuen rot-schwarz karierten Herrenpullover. Ein sehr auffallendes Stück. Wie sind Sie denn darauf gekommen?«
    »Ach«, sagte Miss Marple, »das war ganz einfach. Nach der Beschreibung, die Emlyn und Joanna gegeben hatten, war mir klar,
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