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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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warum.
    Und was dann geschah, wissen Sie ja. Elizabeth Temples Unfall. Die Erzählung von Joanna Crawford und Emlyn Price ließ nur ein Urteil zu: Es war kein Unfall, sondern vorsätzlicher Mord. Von da an«, sagte Miss Marple, »gab es für mich keinen Zweifel mehr. Mir wurde klar, dass nicht zwei, sondern drei Morde verübt worden waren. Ich hörte die ganze Geschichte von Mr Rafiels Sohn, die verdeutlichte, dass er zwar ein Krimineller, jedoch kein Mörder war. Allerdings sprach alles gegen ihn, und niemand bezweifelte, dass er Verity Hunts Mörder war, deren Namen ich nun auch erfahren hatte. Den letzten, entscheidenden Hinweis gab mir dann Erzdiakon Brabazon. Er hatte die beiden jungen Leute gekannt. Sie waren zu ihm gekommen, weil sie sich von ihm trauen lassen wollten. Er war der Ansicht, dass es kein sehr weiser Entschluss war, er durch ihre Liebe aber gerechtfertigt wurde. Er glaubte, dass die beiden sich wirklich liebten und es ernst miteinander meinten. Der Erzdiakon war nicht sehr zuversichtlich und bezweifelte, dass es eine sehr glückliche Ehe werden würde. Aber er hielt es für eine notwendige Ehe. Nach allem, was er erzählte, erkannte ich, dass Michael niemals so weit gegangen wäre, dieses Mädchen, das er ja liebte, zu erwürgen und so entsetzlich zu entstellen. Doch ich wusste ebenfalls, dass dieser Tod durch Liebe verursacht worden war – denn das hatte mir Elizabeth Temple gesagt.
    Und auf einmal sah ich klar. Bis dahin hatte ich es nur geahnt, aber nun stimmte alles, nun passten alle Steine des Mosaiks zusammen. Es stimmte auch mit dem überein, was Miss Temple gesagt hatte. Dass ›Liebe‹ die Ursache von Veritys Tod gewesen sei und dass ›Liebe‹ ein schreckliches Wort sein könne. Alles war mir nun klar. Die überwältigende Liebe, die Clotilde für dieses Mädchen empfand. Und die Verehrung Veritys, die Abhängigkeit von Clotilde und später das Erwachen ihrer normalen Instinkte. Sie wollte frei sein, um lieben zu können, um zu heiraten und Kinder zu haben. Und dann tauchte dieser Junge auf, den sie lieben konnte. Sie wusste, dass er unzuverlässig war und nicht sehr viel taugte. Aber dadurch lassen sich junge Mädchen ja nicht abhalten. Im Gegenteil, sie haben sogar sehr viel übrig für junge Männer, die etwas missraten sind. Das war schon immer so. Sie verlieben sich in sie und glauben, dass sie sie ändern können. Und Michael hatte ja den Vorsatz, sich zu ändern. Wenn er erst einmal mit Verity verheiratet war, wollte er nie wieder ein junges Mädchen anschauen. Sicher wäre es keine besonders glückliche Ehe geworden, aber es war, wie der Erzdiakon sagte, wahre Liebe. Ich vermute, Verity vertraute sich Elizabeth Temple an und schrieb ihr, dass sie Michael Rafiel heiraten wolle. Alles wurde geheim gehalten, denn Verity wusste, dass ihre Tat nichts anderes war als Flucht. Sie wollte einem Leben entfliehen, das sie nicht länger ertragen konnte, sie wollte jemand entfliehen, den sie liebte, aber nicht in dem Maße, wie sie Michael liebte. Und sie wusste natürlich, dass man ihr Hindernisse in den Weg legen würde. Also würden sie, wie andere junge Leute, ganz einfach durchbrennen. Da sie beide mündig waren, hatten sie es gar nicht nötig, nach Gretna Green zu fahren. Sie baten ganz einfach den Erzdiakon, sie zu trauen. Alles war genau festgelegt. Wahrscheinlich wollten sie sich heimlich irgendwo treffen. Ich nehme an, dass Michael zu dem Treffpunkt kam und vergeblich auf Verity wartete. Vielleicht versuchte er dann herauszubekommen, warum sie nicht gekommen war. Ich nehme an, er erhielt dann eine Nachricht, vielleicht sogar einen Brief von ihr – die Handschrift war gefälscht –, in dem sie ihm erklärte, dass sie sich anders besonnen habe. Es sei nun alles aus, und sie würde eine Weile fortfahren, um darüber hinwegzukommen. Natürlich weiß ich das nicht genau. Auf jeden Fall wird er von dem wahren Grund keine Ahnung gehabt haben. Von dieser entsetzlichen Tat. Clotilde war nicht gewillt, den Menschen zu verlieren, den sie liebte. Sie würde Verity nicht freigeben, noch dazu wegen dem jungen Mann, den sie hasste und verachtete. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie Verity auf so grauenhafte Weise entstellt hatte. Das passte nicht zu dem Bild, das ich mir von ihr machte. Deswegen kam ich auf den Gedanken, dass sie sie in das verfallene Gewächshaus gebracht haben könnte. Zuvor hatte sie ihr einen Schlaftrunk gegeben. Auch das nach griechischer Tradition. Der
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