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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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zu verlieren, den man von allen am meisten liebt? Und ich sollte sie an einen erbärmlichen, lasterhaften Verbrecher verlieren. An einen Mann, der mein schönes, herrliches Mädchen nicht wert war. Nein, das musste ich verhindern. Unter allen Umständen!«
    »Ja«, sagte Miss Marple. »Lieber das Mädchen töten als es hergeben. Sie töteten sie, weil Sie sie liebten.«
    »Glauben Sie wirklich, ich hätte das tun können? Glauben Sie, ich hätte ein Mädchen erwürgen können, das ich so liebte? Glauben Sie, ich hätte ihr das Gesicht einschlagen und ihr den Schädel zertrümmern können? Nein, nur ein erbärmlicher Verbrecher wäre zu so etwas fähig gewesen.«
    »Nein«, sagte Miss Marple, »Sie hätten es nicht tun können, das stimmt. Sie liebten sie und wären dazu nicht fähig gewesen.«
    »Na also. Es ist doch Unsinn, was Sie sagen.«
    »Es war ja nicht Verity, der Sie das antaten. Es war ein anderes Mädchen, das Sie nicht liebten. Verity ist noch immer hier, nicht wahr? Hier in Ihrem Garten. Vermutlich haben Sie sie nicht erwürgt. Ich nehme an, Sie brachten ihr einen Schlaftrunk, Kaffee oder Milch mit einer Überdosis Schlaftabletten. Und als sie tot war, trugen Sie sie hinaus in den Garten und gruben ihr in dem verfallenen Gewächshaus ein Grab. Und pflanzten Polygonum an, das alles überdeckte und jedes Jahr voller und dichter wurde. Verity ist hier bei Ihnen. Sie ging niemals fort.«
    »Sie Närrin! Sie verrückte alte Närrin! Glauben Sie, dass Sie je davonkommen, um diese Geschichte weiterzuerzählen?«
    »Ich glaube, ja«, sagte Miss Marple. »Ganz sicher bin ich mir allerdings nicht. Sie sind eine kräftige Frau, sehr viel kräftiger als ich.«
    »Es freut mich, dass Sie das einsehen.«
    »Sie hätten auch keine Skrupel«, sagte Miss Marple. »Ein Mord zieht den nächsten nach sich. Das habe ich im Lauf meines Lebens schon öfter beobachtet. Sie haben zwei Mädchen getötet, nicht wahr? Sie töteten das Mädchen, das sie liebten, und noch ein anderes!«
    »Eine dumme kleine Hure. Nora Broad. Woher wissen Sie das?«
    »Ich dachte darüber nach«, sagte Miss Marple. »Sie sind keine Frau, die ein Mädchen, das sie liebt, hätte erwürgen und entstellen können. Aber zur gleichen Zeit verschwand ein anderes Mädchen, dessen Leiche nie gefunden wurde. Mir wurde klar, dass diese Leiche doch gefunden worden war, nur wusste man nicht, dass es die von Nora Broad war. Sie trug Veritys Kleider und wurde von dem Menschen identifiziert, der Verity besser kannte als jeder andere. Sie mussten hingehen und feststellen, ob diese Tote Verity war. Und Sie haben es getan. Sie haben gesagt, das tote Mädchen sei Verity.«
    »Und warum hätte ich das getan haben sollen?«
    »Weil Sie wollten, dass der junge Mann, der Ihnen Verity weggenommen hatte, den Verity liebte, des Mordes angeklagt würde. Deswegen versteckten Sie die zweite Leiche so gut, dass sie nicht sofort gefunden werden konnte. Und wenn sie gefunden würde, würde man sie für die des falschen Mädchens halten. Sie würden dafür sorgen, dass sie so identifiziert würde, wie Sie wollten. Sie zogen ihr Veritys Kleider an und stellten Veritys Handtasche daneben; ein paar Briefe, ein Armband, ein kleines Kreuz an einer Kette – und dann entstellten Sie ihr das Gesicht. Vor einer Woche verübten Sie einen dritten Mord, den Mord an Elizabeth Temple. Sie töteten sie, weil Sie Angst hatten, sie könnte zu viel wissen. Sie wussten nicht, ob Verity ihr geschrieben oder etwas erzählt hatte, und Sie befürchteten, dass sie, wenn sie Erzdiakon Brabazon besuchte, zusammen mit ihm die Wahrheit herausbekommen könnte. Elizabeth Temple durfte unter keinen Umständen mit ihm zusammentreffen. Sie sind eine sehr kräftige Frau. Es ist für Sie nicht schwierig, so einen Stein loszustemmen. Sicher war es etwas mühsam, aber Sie sind ja sehr kräftig.«
    »Kräftig genug, um auch mit Ihnen fertig zu werden«, sagte Clotilde.
    »Ich glaube nicht«, sagte Miss Marple, »dass man das zulässt.«
    »Wie meinen Sie das, Sie alte, runzlige Person?«
    »Ja«, sagte Miss Marple. »Ich bin nicht mehr ganz jung und habe nicht mehr viel Kraft. Sehr wenig Kraft sogar. Aber ich bin so etwas wie eine Botin der Gerechtigkeit.«
    Clotilde lachte laut. »Und wer will mich davon abhalten, Sie zu töten?«
    »Mein Schutzengel, höchstwahrscheinlich«, sagte Miss Marple.
    »Ach, Sie vertrauen Ihrem Schutzengel?«, sagte Clotilde lachend. Sie trat auf das Bett zu.
    »Vielleicht sogar zwei
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