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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament
Autoren: Tim Willocks
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Lebens.
    Mustafa Pascha und seine Befehlshaber hinterließen vierzigtausend gefallene Gazis im Staub von Malta, und neben diesen unbegrabenen Toten hatten sie dort auch ihren guten Ruf verloren. Nach sechzig trostlosen Tagen auf hoher See kehrten sie zum Goldenen Horn zurück, um den Zorn ihres Sultans über sich ergehen zu lassen. Am allermeisten zu ihrer eigenen Überraschung blieb ihnen die Bogensaite des Eunuchen erspart, und Suleiman beugte sich Allahs Willen. Dann befahl er, sofort Vorbereitungen für einen zweiten Angriff auf die Insel zu treffen, einen Angriff, den er im folgenden Jahr höchstpersönlich zu einem triumphalen Sieg führen wollte. Aber das sollte nicht sein. Im Spätsommer 1566 starb der mächtige Schah im Alter von zweiundsiebzig Jahren in Ungarn, während er die Belagerung von Szigetvár anführte. Er starb, wie er gelebt hatte, im Krieg. Diese Katastrophe war so überwältigend, daß man seine Leibärzte gleich in seinem Zelt erdrosselte und seinen Tod dreiundvierzig Tage vor seinen Agas geheimhielt, bis sein einbalsamierter Leichnam in dem Grabmal beerdigt wurde, das Sinan für ihn hatte errichten lassen, in der Nähe der Suleimanye-Moschee in Stambul.
    Auf Suleiman den Prächtigen folgte sein letzter noch lebender Sohn Selim, der aus gutem Grund den Beinamen »der Trunkene« trug. So begann die Sonne des Osmanenreiches ihren langsamen Niedergang, denn nachdem der Schatten Gottes auf Erden vergangen war, waren auch Zenit und Mittag dieses Reiches überschritten.
    In Rom wurde ein erfolgloser Anschlag auf das Leben von Papst Pius IV., Giovanni Medici, ausgeübt. Der Attentäter war einer jener einsamen, wahnwitzigen Mordgesellen, wie sie die Geschichtsschreibung zu allen Zeiten gekannt hat. Der Schurke starb im Gefängnis, ehe er mögliche Mitverschwörer hätte benennen können. Doch so leicht war der Wille Gottes nicht zu durchkreuzen.Medici wurde bereits im Dezember 1565 von einer grausameren Hand dahingerafft, der Hand des Römischen Fiebers. Wie lange geplant, trat Michele Ghislieri in die Fußstapfen des Oberhirten und sorgte für viel unflätige Bemerkungen und Heiterkeit in seinem inneren Kreis, als er sich den Papstnamen Pius V. aussuchte. Unter seiner Herrschaft blühte die Inquisition wieder auf. Ghislieri stiftete weiter Kriege gegen die Mohammedaner und gegen die Protestanten im ganzen übrigen Europa an. Ein Zeitalter intellektueller Finsternis brach über die katholische Welt herein, und dieser lange und sinnlose Niedergang wurde klaglos in Kauf genommen. Für diese ungeheuerlichen Verbrechen sollte der Inquisitionspapst eines Tages heiliggesprochen werden.
    Den heldenhaften Einwohnern von Malta war es nun überlassen, die Insel nach der Hölle des Krieges wiederaufzubauen. Von einer Bevölkerung von etwa zwanzigtausend Menschen waren siebentausend erwachsene Männer bei der Belagerung umgekommen. Ihre Felder lagen versengt und brach da, ihre Häuser waren in Schutt und Asche gelegt, und viele, die dem Tod entkommen waren, blieben doch ihr Leben lang von ihren Wunden gezeichnet. Sie überdauerten im Schatten der strahlenden Glorie des Ritterordens, und niemand zeichnete je auf, was ihre Gefühle zu den vergangenen Geschehnissen waren. Denn während die Ritter als »i nostri« bezeichnet wurden, blieben die Malteser stets »la basse plebe«, und alles, was man über dieses niedrige Volk wissen mußte, war, daß sie stets gemacht hatten, was ihre Oberen ihnen befahlen.
    Im August 1566 brachte die Enkelin von Gullu Cakie einen Sohn zur Welt. Auf Anraten ihres Großvaters ließ sie den Neugeborenen auf den Namen Matheu taufen.
    Der Chevalier Mattias Tannhäuser, Magistralritter des Ordens vom heiligen Johannes von Jerusalem, erfuhr nicht, daß man ihn durch einen zweiten Namensvetter geehrt hatte. Obwohl er schon sein Leben lang mit dem bösen Antlitz und den Geschicken des Krieges vertraut war, hatte ihn doch die maltesischeIlias in eine tiefe Melancholie gestürzt, für die er kein Heilmittel kannte. Er verließ die Insel auf der ersten Galeere, die nach Sizilien auslief.
    Ehe er fortging, unterwarf er sich den Ritualen des Ritterordens und empfing das Ordenskleid eines Magistralritters. In einem Anfall von Großzügigkeit, den er später bitter bereute, stiftete er den größten Teil seines Opiums dem Heiligen Hospital, das immer noch verzweifelten Bedarf dafür hatte. Von Starkey erwirkte er das Versprechen, Carla, wenn sie wieder nach Frankreich aufbrach, zwei Ritter von
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