Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
das seine bereits zerbrochen, und sie merkte, daß sie ihn an seine Trauer verloren hatte.
    Als Carla wußte, daß sie nicht mehr weiterspielen konnte, schaute sie Orlandu an. Der Junge erwiderte ihren Blick mit warmen, aufrichtigen Augen. Er lächelte ein wenig schüchtern, und sie spielte weiter, weil er in ihr wieder eine kleine Flamme des Glücks entfacht hatte.
    Sie ritten zurück nach Birgu. Mattias sagte ihr, daß er entschlossen sei, mit dem nächsten Schiff nach Venedig aufzubrechen. Carlas Liebe zu ihm war nicht geschwunden, sondern nur noch heftiger geworden, doch Amparos Tod wog so schwer auf ihm wie auf ihr. Ein gemeinsamer Schmerz war ein schlechter Nährboden, in dem die Leidenschaft kaum wachsen und gedeihen konnte. Tannhäuser erwähnte ihre alte Abmachung nicht mehr, und sie tat es genausowenig. Er fragte sie, ob sie auf Malta bleiben wolle, und Carla antwortete, es nicht vorzuhaben. Sie würde die Angelegenheiten ihres Vaters regeln und dann mit Orlandu nach Aquitanien zurückkehren. Mattias verstand das, denn nach dem Blutrecht erhoben nun die Ritter Anspruch auf diese Insel, und nicht nur als Wohnsitz. Sie würden Malta in einen Schrein des Krieges verwandeln. Als sie sich dem Kalkara-Tor näherten, stiegen sie ab, und Tannhäuser wandte sich Carla zu.
    »In der Nacht, als wir am Torhaus gefangengenommen wurden«, sagte er, »erinnert Ihr Euch da an die letzten Worte, die Amparo zu mir gesagt hat?«
    »Ja, gewiß«, erwiderte Carla. »Was haben sie bedeutet?«
    Sie sah den Schmerz auf seinem Gesicht. »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er. »Es hat mir viele Qualen bereitet.«
    »Die Nachtigall ist glücklich«, sagte Carla.
    Tannhäuser nickte. »Natürlich.« Er lächelte. Gleichzeitig füllten sich seine Augen mit Tränen.
    Carla fragte: »Was hat sie damit gemeint?«
    »Sie hat gemeint, daß ich ihre blutrote Rose war«, antwortete Tannhäuser.
    Carla schaute ihn verwundert an. Sie wartete.
    »Es ist eine Geschichte, die sich die Araber erzählen«, meinte er. »Amparo hat sie sehr geliebt.«
    »Erzählt Ihr sie mir?«
    Tannhäuser schloß Carla in die Arme und drückte sie so fest an sich, daß es ihr schon weh tat. Sie spürte, wie er eine Entscheidung traf, die ihn beinahe zerriß. Er schaute sie an, und in seinen durchdringenden blauen Augen sah sie einen Schmerz, der unergründlich tief war, und hatte plötzlich große Angst. Ihre Stimme bebte.
    »Erzählt Ihr mir die Geschichte?« fragte sie noch einmal.
    »Ja«, erwiderte Tannhäuser. »Eines Tages.«

EPILOG
    D IE G NADE G OTTES

1566
    Eine Woche nach der Aufhebung der Belagerung kam der spanische Vizekönig von Sizilien, Garcia de Toledo, auf Malta an. Er war von dem äußersten Leiden, das er vorfand, so angerührt, daß manche berichten, er habe bittere Mitleidstränen vergossen, andere jedoch meinten, es seien Tränen der Scham gewesen. Man führte Toledo über den blutgetränkten Boden, und er hörte von den tapferen Taten, die hier vollbracht wurden. Er wollte den Leichnam seine Sohnes Federico, der im Gefecht um den ersten Belagerungsturm gefallen war, aus der Krypta holen, um ihn nach Hause zu überführen. Drei Tage später fuhr Toledo wieder ab. Er kehrte nie wieder nach Malta zurück und fiel der Vergessenheit anheim.
    Weder La Valette noch der Ritterorden erlitten dieses Schicksal. Der Großmeister wurde als der tapferste Mann der Christenheit gepriesen, als ihr glänzendster Soldat und Staatsmann, als Bollwerk der streitbaren Kirche. La Valette selbst war unbeeindruckt von den Ehren, mit denen man ihn überhäufte. Er reiste nicht nach Rom, obwohl man ihm dort einen triumphalen Empfang zugesichert hatte. Tatsächlich sollte er die Insel nie wieder verlassen, trotz verschiedener Einladungen in alle Paläste Europas, und er wußte seine Verherrlichung nur deswegen zu schätzen, weil sie eine Unmenge von Reichtümern und viele neue Rekruten für den Orden brachte. Mit charakteristischer Leidenschaft machte er sich sofort daran, eine neue Verteidigungsanlage an den Hängen des Monte Sciberras zu entwerfen und zu bauen, eine Zitadelle, die uneinnehmbarste Festung, die je errichtet wurde und die man zu seiner Ehre Valletta nennen würde. Sein vorzüglicher lateinischer Sekretär Oliver Starkey arbeitete Tag und Nacht an seinerSeite, denn die Aufgabe war ungeheuer umfangreich und kompliziert. Begeistert mit dieser Arbeit für den Ritterorden beschäftigt, fanden die beiden Männer so große Zufriedenheit für den Rest ihres
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher