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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament
Autoren: Tim Willocks
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meinte Starkey. »Tannhäuser hat uns ungeheure Mengen von Waffen und Munition für die Kriegsführung verkauft.«
    »Der Mann ist ein schlauer Fuchs«, sagte Le Mas mit einiger Bewunderung. »In Messina entgeht ihm kaum etwas. Er kann auch gut mit Männern umgehen und wäre im Kampf sicherlich ein guter Gefährte, denn er war ein Dewschirme und hat dreizehn Jahre bei den Janitscharen des Sultans verbracht.«
    La Valette blinzelte. »Bei den Löwen des Islam.«
    Die Janitscharen waren die wildeste Infanterie der Welt, die Elite des osmanischen Heeres, die Speerspitze ihres väterlichen Herrschers, des Sultans. Die Sekte setzte sich ausschließlich aus Christenjungen zusammen, die so erzogen und ausgebildet wurden – von den Angehörigen einer fanatischen und erbarmungslosen Gruppierung der Bektasi -Derwische –, daß sie den Tod im Namen des Propheten herbeisehnten. La Valette blickte Starkey an, um von ihm eine Bestätigung zu erhalten.
    Starkey überlegte, an welche Einzelheiten aus dem Werdegang Tannhäusers er sich erinnern konnte. »Die Eroberung Persiens, des Vansees, die Niederschlagung des Aufstandes der Safawiden, die Einnahme von Nachtschiwan.« Er bemerkte, wie La Valette ein zweites Mal blinzelte. Es hatte also einen Präzedenzfall gegeben. »Tannhäuser hat den Rang eines Janitor erreicht, was soviel ist wie ein Hauptmann, und er wurde Mitglied der Leibgarde von Suleimans erstgeborenem Sohn.«
    La Valette fragte: »Warum hat er die Janitscharen verlassen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ihr habt ihn nicht gefragt?«
    »Er hat mir keine Antwort gegeben.«
    La Valette packte Le Mas bei den Schultern. »Bruder Pierre, wir sprechen bald weiter – über den Ehrenposten.«
    Le Mas begriff, daß er entlassen war, und schritt zur Tür.
    »Sagt mir noch eines«, meinte La Valette. »Ihr sagtet, Tannhäuser könne gut mit Männern umgehen. Wie verhält es sich mit Frauen?«
    »Nun, er ist von einer großen Schar schöner Frauen umgeben, die für ihn arbeiten.« Le Mas errötete über seine eigene Begeisterung. Seine gelegentlichen Ausflüge in ein ausschweifendes Leben waren allseits wohlbekannt. »Wenn ich auch gleich hinzufügen muß, daß sie für andere nicht zu haben sind. Tannhäuser hat keine Ordensgelübde abgelegt, und wenn ich an seiner Stelle wäre – nun, wenn dem Mann der Geschmack nach Frauen steht, dann würde ich das nicht gegen ihn verwenden.«
    »Danke«, antwortete La Valette. »Das tue ich auch nicht.«
    Le Mas schloß die Tür hinter sich. Der Großmeister setzte sich auf seinen Stuhl und legte nachdenklich die Fingerkuppen aneinander. »Tannhäuser – das ist kein Adelsname.«
    Um für den Eintritt in den Johanniterorden in Frage zu kommen, mußte ein Mann sechzehn Adelswappen in seinem Stammbaum vorweisen. Vom Nutzen dieser Bedingung war der Großmeister felsenfest überzeugt.
    Starkey antwortete: »Tannhäuser ist nur der Kriegsname, den er sich zugelegt hat, während er im französisch-spanischen Krieg im Dienste von Alva stand.«
    »Wenn Tannhäuser dreizehn Jahre bei den Löwen des Islam verbracht hat, dann weiß er mehr über unseren Feind – seine Taktik, seine Gefechtsformationen, seine Stimmungen und seine Moral – als sonst jemand in unserem Lager. Ich brauche ihn hier in Malta – für die Belagerung.«
    Starkey war verdutzt. »Bruder Jean, warum sollte er sich zu uns gesellen wollen?«
    »Am Mittag bricht Giovanni Castrucco auf der Couronne nach Messina auf.«
    »Von Castrucco läßt sich Tannhäuser bestimmt nicht überreden.«
    »Richtig«, antwortete La Valette. »Ihr fahrt mit. Wenn Castrucco zurücckehrt, bringt Ihr diesen Deutschen mit nach Malta.«
    »Aber dann bin ich fünf Tage nicht hier – ich habe noch so viel zu erledigen …«
    »Wir werden Eure Abwesenheit überleben.«
    »Tannhäuser würde nicht kommen, nicht einmal, wenn wir ihn in Ketten legen.«
    »Dann denkt Euch eine andere Methode aus.«
    »Warum ist er so wichtig?«
    »Vielleicht ist er das nicht, doch das sei dahingestellt.«
    La Valette erhob sich. Er ging zur Karte zurück und schaute auf das Terrain, das sie schon bald mit ihrem Leben verteidigen würden. »Diese Schlacht für unseren heiligen Glauben wird nicht durch einen genialen Handstreich gewonnen«, überlegte er. »Es wird dabei keine brillanten und entscheidenden Schachzüge geben, weder einen Achill noch einen Hektor, keinen Samson mit dem Kinnbacken eines Esels. Derlei Geschichten werden immer im nachhinein erdacht. Es wird nur eine
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