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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir
Autoren: Hanif Kureishi
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im Überfluss davon...< Die grausame Wahrheit ist doch die: Je unfähiger man zum Sex ist, desto fähiger ist man zur Liebe, dem reinen Gefühl. Sie sind der einzige Mensch, der mich versteht. Meinen Sie, dass es zu spät für mich ist, noch schwul zu werden?«
    »Ich finde nicht, dass das eine Alternative wäre, Mr Richardson. Aber sie müssen mit Dr. Khan darüber reden. Er kommt sicher gleich.«
    Die Türen zu meinem kleinen Garten mit seinen drei Bäumen und der kleinen Rasenfläche standen offen. Am Tisch draußen, auf dem Blumen standen, saß Henry mit seiner wuchtigen Wampe, auf der er bequem die Hände ablegen konnte, wenn er sich nicht gerade kratzte. Auf seinem Knie lag meine graue Katze, Marcel, die Miriam mir geschenkt hatte, eine Katze, die alles beschnüffelte und die ich immer wieder aus dem Zimmer werfen musste, in dem ich meine Patienten empfing.
    Henry, der bereits eine halbe Flasche Wein geleert hatte - »Ich glaube nicht, dass Weißwein auch nur ein Quäntchen Alkohol enthält!« -, sprach mit sich selbst oder assoziierte auf dem Umweg über Maria wild herum, die sich einbildete, es wäre ein Gespräch.
    Ich wusch mir in der Küche die Hände. »Ich will mich besaufen«, hörte ich ihn rufen. »Ich habe mein Leben damit vergeudet, ehrbar zu sein. Inzwischen bin ich in einem Alter, in dem sich die Frauen in meiner Nähe in Sicherheit wiegen! Der Alkohol wird mich wieder in Schwung bringen - er bringt jeden in Schwung.«
    »Wirklich? Aber beim Hereinkommen haben Sie mir erzählt, dass man Sie an die Pariser Oper holen will.«
    »Die nehmen doch jeden Dahergelaufenen. Maria, ich weiß, dass Sie der Kultur viel gewogener sind als ich. Sie sind Stammgast auf den billigen Plätzen, und Sie lesen jeden Morgen im Bus. Aber die Kultur besteht aus Eiscreme, Pausen, Sponsoren, Kritikern und den immer gleichen angeödeten, überkultivierten Diven, die sich wahllos alles anschauen. Zum einen gibt es die Kultur, und sie ist nichts, und zum anderen gibt es das Ödland - Sie müssen nur London verlassen oder den Fernseher einschalten, und da ist es. Hässlich, puritanisch, lüstern und dumm, mit Leuten wie Blair, die behaupten, moderne Kunst nicht zu verstehen, oder unserem zukünftigen König, Charles, dem Gearschten, der mit Vollgas in die Vergangenheit rast. Früher habe ich geglaubt, beides könnte sich überlappen, das Heilige und das Profane. Was meinen Sie dazu? Ach, Maria, spätestens, als ich mit Wasserfarben zu malen begann, wusste ich, dass alles aus und vorbei war ...«
    »Immerhin müssen Sie keine Toiletten schrubben, um Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Hier, probieren Sie mal diese Tomaten. Mund weit öffnen und nicht spucken.«
    »Oh, wie köstlich. Wo haben Sie die her?«
    »Von Tesco. Nehmen Sie eine Serviette. Sonst sauen Sie sich den Bart ein. Sie locken ja die Fliegen an!« Sie wedelte mit der Serviette vor seiner Nase.
    »Habt Dank, Mutter«, sagte er. Als ich mich setzte, hob er den Kopf. »Jamal«, rief er, »hör auf zu kichern und verrat mir: Hast du in letzter Zeit das Symposion gelesen?«
    »Still, Sie böser Mann, lassen Sie den Doktor in Ruhe essen«, sagte Maria. »Er hat ja noch nicht einmal einen Bissen Brot im Mund.« Einen Moment lang glaubte ich, sie würde ihm einen Klaps auf die Hand geben. »Dr. Khan hat heute Vormittag schon genug Gerede gehört. Er ist so freundlich, diesen Leuten sein Ohr zu leihen, obwohl man sie eigentlich alle im Irrenhaus anketten müsste. Wie frech manche sind!
    Wenn ich die Tür öffne, belästigt mich jeder mit Fragen nach dem Doktor. Wo macht er Urlaub? Wo steckt seine Frau? Ich schweige wie ein Grab.«
    Wir aßen. Man musste Henry zugutehalten, dass er einfach nicht den Mund halten konnte. »>Wir reisen mit einer Leiche im Gepäck.< Damit meint Ibsen, dass die Toten - tote Väter, sozusagen die lebenden Toten -genauso mächtig, ja sogar noch mächtiger sind als die leibhaftigen Väter.«
    »Wir bestehen aus anderen«, murmelte ich.
    »Aber wie bringt man einen toten Vater um die Ecke? Und selbst dann wären die Schuldgefühle grauenhaft, oder?« »Ich denke schon.«
    Er fuhr fort: »In diesem Stück ist Ibsen ein absolut realistischer Autor. Wie soll man die Geister darstellen? Oder ist das überflüssig?« Henry griff quer über den Tisch, um sich etwas von meinem Teller zu angeln. Das tat er gern. »Diese freundliche Aggression dürfte wohl besagen«,
    verkündete er und hielt eine Bohne hoch, »dass sich ein Mann gern deine Frau mit dir
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