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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten
Autoren: Aileen P. Roberts
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ankam, kniete Kian schon neben ihr, das Gesicht aschfahl. Hektisch presste er ein Stück des Umhangs auf die deutlich sichtbare Wunde und wickelte den Rest des Stoffes als Verband herum. Die blutige Lanze lag im Schnee. Etron und Eryn bemühten sich mit Morquas Hilfe, den Rodhakan und eine Gruppe von Kriegern, die herbeistürmten, von sich fernzuhalten.
    »Lena«, flüsterte Ragnar. Als er sie in seine Arme ziehen wollte, stieß Kian ihn fort.
    »Lass sie! Was tust du überhaupt hier?«
    Doch Ragnar blickte ihm einfach nur in die Augen. Der junge Kelte zog die Brauen zusammen, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und half nun Ragnar sogar, Lenas Kopf auf seinen Schoß zu betten.
    Ragnar drückte Lena an sich und versteckte sein Gesicht in ihren Haaren. Er spürte, wie seine Hand, die an ihrem Rücken lag, feucht wurde. »Ich war so blind, ich war so verdammt blind«, stammelte er. »Wie tief ist die Wunde?«, wandte sich Ragnar mit heiserer Stimme an Kian.
    »Tief – ich befürchte, zu tief.«
    Nebel waberte um Lena, ein weißes, hellgelbes Licht umfing sie, so warm und tröstend, wie sie es noch niemals zuvor gesehen hatte. Sie wusste nicht, wo sie war, ihr Orientierungssinn schien sich in nichts aufgelöst zu haben. Sie blickte sich nach allen Seiten um, glaubte, hinter sich vertraute Stimmen zu hören, und wollte schon umdrehen. Aber da teilte sich der Nebel, und jemand trat auf sie zu.
    »Maredd?« Lena traute ihren Augen kaum, doch es war tatsächlich Ragnars Großvater, der da vor ihr stand. »Was machst du denn hier?«, wunderte sie sich. Eine düstere Vorahnung beschlich sie, deshalb schaute sie langsam an sich hinab. Lena hatte den Eindruck, sie wäre irgendwie durchscheinend, substanzlos, und erschrak. »Bin ich … tot?«
    Der große Tuavinn-Krieger schüttelte den Kopf, dann nahm er ihre Hand. »Es gibt keinen Tod. Nur einen Wechsel der Welten. Aber noch ist dieser Tag für dich nicht gekommen.«
    Maredds Berührung hatte etwas Beruhigendes, und auf eine seltsame, verwirrende Art fühlte sie sich plötzlich mit ihm verbunden.
    »Ja, aber … was ist denn mit mir los? Weshalb begegne ich dir? Und ich wurde doch getroffen.« Sie fasste an ihren Rücken, wo sie noch vor wenigen Augenblicken einen gleißenden Schmerz gespürt hatte.
    »Komm, Lena, ich möchte mit dir sprechen.« Leichtfüßig, beinahe schwebend gingen sie durch den Nebel, traten auf eine Wiese, auf der Hunderte Blumen in den unterschiedlichsten Farben blühten. Ein Wasserfall ergoss sich direkt aus den Wolken und schillerte silbern, blau und grünlich. »Wo sind wir hier?«
    »Ich würde es eine Art Zwischenreich zwischen Elvancor und der Ewigkeit nennen. Manchmal, wenn es dringend notwendig ist, um großes Leid abzuwenden, können Wesen wie ich, die in die Ewigkeit gegangen sind, hierherkommen und mit denen sprechen, die noch nicht weitergegangen sind. So war es auch damals mit Jarin, als er seine Vision hatte.«
    »Also habe ich jetzt eine Vision«, schlussfolgerte Lena.
    »Nicht direkt.« Maredd fuhr sich über das Gesicht. »Lass mich von vorn beginnen, Lena. Wir Tuavinn haben viele Fehler gemacht, ähnliche, die wir den Menschen vorgeworfen haben.«
    »Ach ja?« Lena betrachtete Maredd abwartend. Sie wusste nicht, was mit ihr geschah, ob dieses Erlebnis nur in ihrem Kopf stattfand oder Teil einer Wirklichkeit war, wie sie sie noch nie gekannt hatte.
    »Damals, als Jarin die Vision hatte und aufgefordert wurde, weise Menschen nach Elvancor zu holen und sie zu lehren, hatten die Herren des Lichts, aufgestiegene Wesenheiten, die Absicht, deine Welt zu einem besseren Ort zu machen.«
    »Und das ging schief, weil ihr auch normale Menschen über die Schwelle gelassen habt«, ergänzte Lena. »Aber diesen Fehler habt ihr doch eingesehen!«
    »Es war zwar nicht das, was die Herren des Lichts beabsichtigt hatten, aber als Fehler kann man es auch nicht bezeichnen«, widersprach Maredd, was Lena verwirrte.
    »Wir dachten, Elvancor sei ein eurer Welt weit überlegenes Land, perfekt und über jeden Zweifel erhaben.«
    »Und das ist es nicht?«
    Lächelnd schüttelte Maredd den Kopf. »Elvancor ist wunderbar, aber so wie sich eure Welt stets verändert hat, muss sich auch Elvancor wandeln. Nur haben wir das lange Zeit nicht verstanden. Viele Zeichen sandten die Herren des Lichts. Die Anam Cara, die in deiner Welt geboren wurden oder auch in Menschengestalt in Elvancor, die Kinder, die aus der Liebe unserer beider Rassen hervorgegangen sind – das
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