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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seinen Körper durchschlagen.
    Er hörte nicht mehr, wie sich die Mörder schnell entfernten und in den Dschungel flüchteten. Er taumelte zurück in die Küche, versuchte sich am Tisch festzuhalten. Blut spritzte über die Gläser, die Teller, die Schüsseln, und dann hatte er noch die Kraft, sich wieder aufzurichten, sich die Wand entlangzutasten, wo seine Hände blutige Abdrücke hinterließen, ins Schlafzimmer zu wanken, um sich auf das Bett fallen zu lassen.
    Er erreichte es nicht mehr. Vor dem Bett brach er zusammen und rollte über den Fußboden. Er schrie nicht, er rief nicht um Hilfe – er lag auf dem Rücken mit weit aufgerissenen Augen und starrte ins Leere.
    Der Schuß hallte im Haus wie ein Donnerschlag. Catarina und die Kinder standen wie erstarrt, die beiden Polizisten erbleichten, als hätte die Schrotladung sie getroffen. Aber nur eine Sekunde dauerte der Schreck, dann stürzten sie zur Vordertür hinaus und liefen in panischer Angst fort in die Nacht.
    Mit einem Aufschrei, der ihr Herz zerbrach, warf sich Catarina über Julio und nahm sein bleich werdendes Gesicht zwischen ihre Hände.
    »Julio!« schrie sie immer wieder. »Julio!« Ihre Hände, ihr Gesicht waren voll von seinem Blut, das aus den vielen Einschüssen hervorquoll. »Julio –«
    Maputo sah sie an mit einer schon überirdischen Ruhe. Seine großen tiefbraunen Augen glänzten tief. Er atmete noch einmal schwer und röchelnd und sagte dann mit klarer Stimme: »Mein Liebling, es ist soweit. Sie haben es erreicht. Verdammt, ich wußte es –«
    »Du mußt weiterleben!« schrie Catarina. Sie schüttelte seinen Kopf, warf sich dann über ihn und küßte sein blutverschmiertes Gesicht, sein durchlöchertes Hemd, seine mit Blut verschmierten Hände. Die Kinder standen starr in der Tür und begriffen noch nicht, was geschehen war. »Du mußt weiterleben –«
    Er nickte stumm, seine Lippen bewegten sich zitternd, aber sie formten keine Worte mehr. Noch einmal traf sein Blick Catarina, ein Blick, der sich verdunkelte, der wegsank, der hinüberglitt in die Ewigkeit.
    Maputo war tot.
    Catarina sprang mit einem neuen, alles zerreißenden Schrei auf. Sie sah nicht ihre erstarrten Kinder, sie stürzte hinaus auf die Straße, breitete die Arme aus und schrie und schrie:
    »Sie haben Julio getötet! Julio ist tot! Mörder! Mörder! Mörder! Julio ist tot.«
    Und niemand hörte sie. Niemand.
    Alle saßen vor dem Fernsehgerät und schauten das spannende Spiel an.
    Da rannte Catarina los, riß die Tür des nächsten Hauses auf, streckte ihre blutverschmierten Arme aus und schrie:
    »Sie haben Julio getötet!«
    Und genausowenig hörte man in dieser Nacht, wie sich ein kleiner Wagen schnell aus der Siedlung entfernte, vorbei an der Wache der Zivilpolizei und vorbei am Hauptquartier der Militärpolizei.
    Julio Maputo war tot. Miguel Assis konnte beruhigt zur Weihnachtsmesse gehen, beten und das Abendmahl empfangen und mit den anderen singen.

* * *
    Eineinhalb Jahre nach Maputos Tod, im März 1990, wurde in der ersten wirklich freien Wahl Fernando Collor de Mello zum neuen Präsidenten von Brasilien gewählt. Ein junger, energischer Politiker der neuen Generation, der seine Wähler nicht mit Versprechungen abspeiste, sondern ihnen die harte Wahrheit sagte und von der Hoffnung auf Veränderung sprach. Seine erste, aufsehenerregende Amtshandlung war die Berufung des international bekannten Umweltschützers Dr. José A. Lutzenberger zum Umweltminister.
    Assis, Lobos und die anderen heimlichen Herrscher Brasiliens sahen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Aber sie hatten die eineinhalb Jahre genutzt. Der damalige Präsident Sarney hatte ihnen für ›außergewöhnliche Verdienste um das Land‹ nicht nur einen hohen Orden verliehen, er hatte auch zugelassen, daß man dieser kleinen Gruppe Habgieriger noch schnell riesige Flächen des Regenwaldes in Roraima, Amazonien, Rondônia und Acre verkaufte. Gebiete voller Bodenschätze, vom Eisenerz bis zum Uran, vom Gold bis zu Bauxit. Um diesen Boden auszubeuten, mußte der Wald gerodet werden. Ein Auftrag für Paulo Lobos, der sich die Rodungsrechte erkaufte.
    Gleichzeitig aber hatte Präsident José Sarney einen umfassenden Bericht und Plan zum Schutz des Regenwaldes im Amazonasgebiet vorgelegt. Maputos Tod hatte die Welt nun wirklich alarmiert. Jetzt sprach jeder über den Regenwald und die Yanomami-Indianer. Die Regierung von Brasilien wurde von allen Seiten mit Vorschlägen und Anklagen bombardiert.
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