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Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen
Autoren: Gabi Kreslehner
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ihren
Gedanken. »Wir haben kein Ketchup mehr«, sagte Max. »Hast du vergessen
einzukaufen. Erledigst du das?«
    Sie schaute auf die Uhr. »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Tankstelle«, sagte er. »Bis gleich.«
    Daheim auf der Terrasse war der Tisch gedeckt, Kerzen
brannten. Franza war überrascht. »Haben wir etwas zu feiern?«, fragte sie und
stellte die Ketchupflasche auf den Tisch.
    Max setzte eine wichtige Miene auf. »Ja, das kann man
sagen. Nachdem unser lieber Herr Sohn keinerlei Anstalten macht, jemals
zahnmedizinisch tätig werden zu wollen, hab ich die Praxis verkauft.« Peng. Das
saß.
    Sie starrte ihn an, sprachlos, mit offenem Mund. Er
prustete los. »Ach, du meine Güte, sie hat's geglaubt! Das war ein Scherz! Ein
Scherz! Denkst du wirklich, ich würde jemals meine Praxis verkaufen. Was sollte
ich denn dann den ganzen Tag lang tun? Kochen etwa?«
    Sie drehte sich zum Tisch, nahm die Grillzange und warf
sie nach ihm. Er duckte sich, immer noch lachend. »Willst du mich umbringen?
Nein, wir haben nichts zu feiern. Oder einfach nur einen schönen Sommerabend.
Und dass ich endlich Zeit habe. Und du auch. Findest du das nicht schön?
Franziska?«
    Er kam ihr nahe, streckte seine Hand nach ihr aus, sie
wich zurück, ganz wenig nur, aber er merkte es, sie sah das Misstrauen in
seinen Augen, versuchte zu lächeln.
    »Sag nicht Franziska, du weißt,
das mag ich nicht«, sagte sie, um irgendetwas zu sagen, und nahm sich ein Glas
Wein.
    Er schwieg und kümmerte sich um das Essen. Die
Leichtigkeit war fort. Aber nicht erst seit heute.
    »Wo ist Ben?«, fragte sie. »Hast du ihn gesehen?« Er
schüttelte den Kopf. Sie ging von der Terrasse in den Garten, strich den Rosen
über die Köpfe. Ihr Sohn lebte sein Leben von ihr fort. Seit sie ihre Trauer
darüber abgehandelt hatte, war alles einfacher geworden. »Wann kommst du?«,
fragte sie nicht mehr. War er da, war er da, wenn nicht, dann nicht.
    Überhaupt musste sie sich genau überlegen, was sie ihn
fragte, und das war schwierig, denn das Fragen war ihr Job, genaues, penibles
Fragen, hinterfragendes Fragen bis an die Grenzen jeder Diskretion.
    Einmal hatte sie bemerkt, dass seine Lippen rau waren.
»Wie willst du küssen?«, hatte sie geneckt. »Mit diesen Reibeisen. Küsst du gar
nicht?« Das war schon zu viel gewesen. Er wurde unwirsch. »Ach, Mama! Geht dich
nichts an!«
    Und verschwand. Hinaus in Max' Zweitwagen, hinein in die
Stadt, ließ Franza stehen, wo sie stand. Warum, dachte sie trotzig, geht mich
dein Liebesleben nichts an, wo du doch aus meinem entstanden bist?
    Sie wusste, dass Ben nicht wusste, was werden sollte. Seit
er im Vorjahr im zweiten Anlauf die Reifeprüfung bestanden hatte, worüber sie
alle endlos froh gewesen waren, ließ er sich treiben, guckte hierhin und dahin,
aber legte sich nicht fest, was für Franzas schlechtes Gewissen nicht unbedingt
eine Entlastung war.
    Seit Bens Geburt trug sie es mit sich herum, dieses
schlechte Gewissen, nie war sie sich sicher gewesen, ob sie genug für ihn da
gewesen war, ob sie ihm alles gegeben hatte, was er brauchte. Sie hatte nach
seiner Geburt rasch wieder gearbeitet, hatte diesen Spagat gemacht zwischen
Beruf und Familie, hatte Kindergarten- und Hortzeiten restlos ausgeschöpft,
hatte hintereinander mehrere Au-pair-Mädchen aus den verschiedensten Ländern
Europas beschäftigt, von denen eines sich plötzlich nicht nur für Bens
Vergnügen und Wohlbefinden zuständig gefühlt hatte, sondern auch für das von
Max.
    Es war der erste Vertrauensbruch gewesen, eine Kränkung,
die Franza lange nicht verwand. Zwar beteuerte Max, es hätte ihm nichts
bedeutet, eine kleine Liebelei in der Kälte des Winters, ein warmer Körper,
lebendig und anschmiegsam, weil sie, Franza, doch nie da sei, immer mit ihren
Leichen beschäftigt, wenn nicht real, dann in Gedanken.
    Im Verlauf der Krise hatte sie an Trennung gedacht, an
Neuanfang, aber irgendwie war alles geblieben, wie es war, bloß Au-pair-Mädchen
kamen keine mehr ins Haus, und Ben bestand plötzlich darauf, Ben genannt zu
werden. Nicht mehr Benny oder Benjamin. Ben. Von
da an war er groß. Oft hatte Franza sich später
gefragt, ob Ben etwas gemerkt hatte von der Krise, vom Ausbruch der Krise, und
wusste, dass es eine kleine Schwedin gab, die mittlerweile so alt sein musste
wie Ben damals und die mit ihrem Vater nicht in ihrer Sprache sprechen konnte,
weil der diese Sprache nicht verstand. Dass Franza davon wusste, beruhte auf
der lächerlich
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