Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Rätsel

Titel: Das Rätsel
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
auftauchen konnte …«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Nein, vermutlich nicht.«
    Der Polizist lachte wieder.
    »Ich weiß alles über Sie«, erklärte er. »Und auch eine Menge über Ihre Familie. Sie sind ein Mann, der einiges vorzuweisen hat. Ein Mann, der in Sachen Mord berühmt-berüchtigt ist.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ich meine, Sie wurden erfolgreich zu einer Reihe von Fällen hinzugezogen, aber Sie zeigten kein Interesse daran, aus diesen Erfolgen Profit zu schlagen. Sie haben mit den Spitzenleuten auf diesem Gebiet zusammengearbeitet, scheinen aber mit Ihrer Anonymität ganz zufrieden zu sein.«
    »Das«, entgegnete Clayton schroff, »ist meine Sache.«
    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Haben Sie gewusst, dass Ihre Studenten Sie hinter Ihrem Rücken Professor Tod nennen?«
    »Ja, das ist mir zu Ohren gekommen.«
    »Und, Professor Tod, wieso ziehen Sie es vor, sich weitgehend im Verborgenen hier an einer großen, schlecht ausgestatteten, teilweise altersschwachen staatlichen Uni abzurackern?«
    »Auch das ist meine Angelegenheit. Mir gefällt es hier.«
    »Aber jetzt ist es auch meine Angelegenheit, Professor.«
    Clayton sagte nichts. Er strich mit den Fingern über den Stahl der Pistole auf dem Schreibtisch vor ihm.
    Der Agent fuhr in unfreundlichem, fast heiserem Ton fort: »Sie werden die Aktentasche nehmen, Professor. Sie werden nachsehen, was drin ist. Dann werden Sie mich anrufen und mir helfen, mein Problem zu lösen.«
    »Sind Sie da so sicher?«, fragte Clayton in einem Ton, der trotziger als beabsichtigt ausfiel.
    »Ja«, erwiderte Agent Martin, »ja, ich bin mir sicher. Denn, Professor, ich kenne nicht nur Ihren Lebenslauf, diesen ganzen Quatsch für das
Who’s who
und all das, was die PR-Seiten Ihrer Uni füllt, sondern ich weiß noch etwas anderes, etwas Wichtigeres, etwas, das all diese anderen Behörden, Universitäten, Zeitungen, Studenten, Kollegen und weiß Gott wer noch alles eben nicht wissen. Ich habe sozusagen selbst noch mal die Unibank gedrückt, Professor. Fachbereich Töten. Und zufällig habe ich auch bei Ihnen studiert. Habe dabei ein paar interessante Entdeckungen gemacht.«
    Clayton konnte nur mit Mühe das Zittern in seiner Stimme verbergen. »Was sollte das wohl sein?«, fragte er.
    Agent Martin lächelte. »Sehen Sie, Professor, ich weiß, wer Sie wirklich sind.«
    Clayton sagte nichts. Eine Eiseskälte durchfuhr seinen Körper.
    Der Agent ging in Flüsterton über. »Hopewell, New Jersey. Wo Sie die ersten neun Jahre Ihres Lebens verbracht haben … bis Sie eines Nachts im Oktober, vor einem Vierteljahrhundert, weggegangen und nie zurückgekehrt sind. Da hat es alles angefangen, richtig, Professor?«
    »Alles was?«, schoss Clayton zurück.
    Der Agent nickte bedächtig, wie ein Kind auf dem Spielplatz, das mit einem Geheimnis prahlt.
    Agent Martin schwieg und beobachtete, welche Wirkung seine Worte in Claytons Mimik auslösten, als rechnete er sowieso mit keiner Antwort auf seine Frage. Er ließ das Schweigen, das sich wie früher Morgennebel im Herbst über den leeren Raum zwischen ihnen legte, langsam sinken.
    Dann nickte er erneut. »Ich freue mich auf Ihren Anruf heute Abend, Professor. Es gibt jede Menge Arbeit und wenig Zeit. Am besten fangen wir ganz schnell an.«
    »Wollen Sie mir mit irgendetwas drohen, Agent Martin? Falls ja, drücken Sie sich lieber etwas deutlicher aus, denn ich habe nicht die leiseste Ahnung, was das soll.« Clayton sprach hastig, viel zu hastig, um zu überzeugen, was ihm in dem Moment klar wurde, als ihm die Worte herausgeplatzt waren.
    Der Agent schüttelte sich ein wenig wie ein Hund, der aus einem Nickerchen erwacht. »Oh doch«, erwiderte er gleichmütig, »oh doch, ich glaube, das wissen Sie genau.« Er zögerte nur für Sekunden. »Sie dachten, Sie könnten sich verstecken, nicht wahr?«
    Clayton sagte nichts.
    »Sie dachten, Sie könnten sich für immer verbergen?«
    Der Agent deutete mit einer letzten Geste auf die Aktentasche, die neben dem Pult lag, dann machte er kehrt und stieg, ohne sich noch einmal umzusehen, forsch und energisch die Treppe hoch. Die Dunkelheit am hinteren Ende des Hörsaals schien ihn zu verschlucken. Als sich die Tür zu dem hell erleuchteten Korridor öffnete, trat noch einmal der breite Rücken des Polizisten in einer scharfen Silhouette hervor. Dann fiel die Tür mit einem dumpfen Schlag zu, und der Professor war endlich allein auf dem Podium.
    Jeffrey Clayton saß, wie an seinen Stuhl
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher