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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel
Autoren: John Katzenbach
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zwischen den Beinen baumeln. Seine Maschinenpistole hing ihm über der Schulter. Der Mann sah gelangweilt aus, und bevor Jeffrey sich zur Wandtafel drehte, gab er ihm mit dem Kopf ein Zeichen, wachsamer auf die Studenten zu achten.
    Die Klausur umfasste zwei Teile. Im ersten Teil mussten die Studenten die Menschen charakterisieren und zuordnen, deren Namen Jeffrey an die Tafel schrieb. Es handelte sich dabei um eine Reihe von Mördern, die er alle in seinen Vorlesungen behandelt hatte. Der zweite Teil bestand aus einem Essay zu einer von zwei Fragen:
    Auch wenn Charles Manson keinem Mörder die Hand führte, wurde er dennoch wegen Mordes verurteilt. Erklären Sie die Gründe und beschreiben Sie, welchen Einfluss er auf die Täter hatte, die entsprechende Verbrechen verübten. Erklären Sie, inwiefern dies Manson von anderen Mördern, über die wir gesprochen haben, unterscheidet.
Erklären Sie Ted Bundys Attacke im Haus der Chi-Omega-Studentenverbindung und vergleichen Sie dieses Verbrechen mit Richard Specks Mord an den acht Nonnen in Chicago. Beschreiben Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Welchen Einfluss hatten diese Verbrechen jeweils auf das soziale Umfeld?
    Er war mit der Aufgabenstellung fertig und kehrte von der Tafel zu seinem Pult zurück. Während die Studenten sich an die Arbeit machten, griff er nach der Tageszeitung. Quer über den unteren Rand der Titelseite fand er einen Artikel, der ihn deprimierte.
    Ein Professor für Romanistik am benachbarten Smith College war am Abend zuvor auf seinem Weg über den Campus nach Einbruch der Dunkelheit erschossen worden. Offenbar hatte sich der Mörder von hinten angeschlichen, eine kleinkalibrige Pistole gezogen und einen einzigen Schuss in die Schädelbasis abgegeben, bevor er unentdeckt in die Nacht entschwand. Die Polizei vernahm zahlreiche derzeitige und ehemalige Studenten des Professors. Insbesondere diejenigen, die in seinen Seminaren durchgefallen waren. Er hatte zu den wenigen Kollegen gehört, der in einer Zeit, in der selbst klägliche Arbeiten gute Noten einbrachten, dafür bekannt war, streng zu zensieren.
    Jeffrey las weiter, bis er zum Sportteil kam – schon wieder ein Bestechungs- und Punktabzugsskandal bei der Basketballmannschaft.Er schlug den Lokalteil auf. Noch während er die Zeitung durchstöberte, schlossen die ersten Studenten die Klausur ab. Er hatte eine kleine Plastikbox vor dem Podium auf den Boden gestellt. Sie warfen die blauen Mappen hinein und verließen den Saal. Gelegentlich verweilte jemand an der Tür, und Jeffrey schnappte ein paar Wortfetzen, ein Lachen oder eine Beschwerde auf. Als schließlich die Klingel das Ende der Stunde einläutete, war der Hörsaal leer.
    Er sammelte die Mappen ein, bedankte sich bei dem gelangweilten Polizisten und kehrte in sein kleines Büro im Psychologischen Institut zurück. Wie immer zählte er die Klausuren, bevor er mit den Korrekturen begann, um zu überprüfen, ob jeder Student seine Arbeit abgegeben hatte.
    Er war überrascht, als seine Strichliste auf einhundertacht Einträge kam.
    Er warf einen neugierigen Blick auf den Stapel. Einhundertsieben Studenten im Kurs. Niemand hatte um einen zweiten Klausurbogen gebeten. Dennoch einhundertacht Ergebnisse. Sein erster Gedanke war, dies könne nur Teil eines ausgeklügelten Täuschungsmanövers sein. Es wäre nicht der erste Versuch. Bei einigen der kreativeren Tricks hatte Jeffrey sich gefragt, wieso diese Studenten nicht dieselbe Zeit aufs Lernen verwendet und sich den Betrugsversuch erspart hatten. Doch es lag zum Teil, so hatte er längst begriffen, auch in der Natur des modernen Bildungswesens selbst, dass Pfuschen reizvoller als Lernen schien.
    Er zählte noch einmal. Es blieb beim selben Ergebnis.
    Jeffrey blätterte den Stapel durch und war gespannt, was sich jemand bei diesem Manöver gedacht hatte, als er sah, dass auf einer der blauen Mappen der Name fehlte. Er seufzte und vermutete, er hätte versehentlich eine leere zu den ausgefüllten gelegt. Er zog sie aus dem Stapel.
    Nur um sicherzugehen, schlug er sie auf.
    In der Mappe lag ein handgeschriebener Zettel:
    Offensichtlich wäre es ein Leichtes, den Professor zu töten, der einem so viel genommen hat. Eine Möglichkeit bestünde darin, das wahre Motiv für den Mord zu verschleiern. Zu diesem Zweck könnte man etwa wahllos Professoren nahegelegener anderer Universitäten und Colleges töten. Erst zwei andere, dann die eigentliche Zielperson und dann noch einmal zwei. Du wirst
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