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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel
Autoren: John Katzenbach
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geschweißt, reglos da.
    Dann sah er sich einen Moment lang hektisch in alle Richtungenum und schnappte nach Luft. Er konnte es nicht ertragen, dass der Hörsaal keine Fenster hatte. Es war, als wäre die Luft im Raum zu dünn geworden. Aus dem Augenwinkel heraus sah er die rote Alarmleuchte unbeachtet weiter blinken.
    Er legte die Hand an die Stirn und begriff. Alles aus. Mein Leben ist vorbei.

2. KAPITEL
Ein Problem, das sich nicht
von selbst löst
     
    Er lief langsam über den Campus und hatte keinen Blick für die Studententrauben, die sich auf den Pfaden drängten, während ihn frostige Gedanken und schwarze Panik aus fremdartigen Schichten seines Bewusstseins verstörten.
    Hinter dem kühlen Herbstnachmittag lauerte schon der Abend, und zwischen den nackten Zweigen der letzten Eichen, die über das Universitätsgelände verstreut waren, schlich sich bereits die Dunkelheit ein. Durch Jeffrey Claytons Wollmantel drang eine kurze, kalte Böe, und er zitterte. Er hob für einen Moment den Kopf und blickte nach Westen, wo der schmale Strich eines purpurroten Horizonts die fernen Hügel in Falten legte. Der Himmel selbst schien zu einem Dutzend verschiedener Schattierungen eines schwachen Graus zu verschwimmen, die alle mit Nachdruck erklärten, dass der Winter nahte. Wenn die glühenden Farben des Herbstes längst verblasst waren und der erste Schnee nicht mehr lange auf sich warten ließ – das war in seinen Augen die schlimmste Jahreszeit in New England. Wie ein lebensmüder alter Mann zog sich die Welt in ihr Schneckenhaus zurück. Die uralten, brüchigen Knochen, die bei jedem Schritt knirschten, taugten nur noch, um sich von einem Tag zum nächsten zu schleppen, während sich bereits der erste Frost des Todes meldete.
    Etwa fünfzig Meter entfernt, vor der Kennedy Hall, einem der vielen trostlosen Zementgebäude, denen die alten efeubewachsenen Klinkerbauten gewichen waren, kam es zu einem Handgemenge, und wütende Stimmen wehten mit der kalten Brise herüber. Jeffrey kauerte sich hinter einen Baumstamm. Nicht sinnvoll, sich von einer verirrten Kugel erwischen zu lassen. Er horchte, konnte jedoch nicht herausfinden, worum sich die Auseinandersetzung drehte; er hörte nur einen Schwall von Obszönitäten, die wie tote Blätter in einem Sturm hin und her gewedelt wurden.
    Er sah, wie zwei Campus-Polizisten auf den Kampf zueilten. Sie trugen Schutzkleidung am ganzen Körper, und ihre schweren, stahlverstärkten Stiefel klangen auf den geteerten Wegen wie Hufe. Hinter den undurchsichtigen Schutzvisieren ihrer Helme konnte er ihre Augen nicht sehen. Aus einer anderen Richtung näherten sich zwei weitere Beamte. Im Laufschritt lösten sie die Bewegungsmelder der Straßenlaternen aus, in deren gelbem Licht ihre gezückten Waffen glitzerten. Die Campus-Polizei patrouillierte grundsätzlich nur noch paarweise, seit im vergangenen Jahr Mitglieder einer Studentenverbindung einen Mann in ihre Gewalt gebracht hatten, der allein und undercover an einem Drogenfall gearbeitet hatte. Sie hatten ihn in einen Keller geschleppt, nackt ausgezogen und sich an seinem bewusstlosen Körper in erniedrigender Weise vergangen, um ihn schließlich in Brand zu stecken. Zu viel Alkohol, zu viele Drogen, ein wenig Kerosin und das völlige Fehlen eines Gewissens.
    Der Mann starb, und das Haus der Studentenverbindung brannte nieder. Obwohl auf dem Campus fast jeder wusste, wer die Tat begangen hatte, kamen die drei verantwortlichen Studenten nie vor Gericht, da das meiste Beweismaterial in den Flammen aufgegangen war. Inzwischen war nur nocheiner von ihnen am Leben. Einer war noch vor dem Abschlussexamen in einem der vielstöckigen Studentenwohnheime bei einem mysteriösen Vorfall zu Tode gekommen. Er war einundzwanzig Stockwerke tief einen Fahrstuhlschacht hinuntergestürzt. Der Zweite hatte eine Nacht im August auf Cape Cod nicht überlebt, als er mit seinem Sportwagen in einem Preiselbeersumpf gelandet und ertrunken war.
    Wie Jeffrey erfahren hatte, war wohl ein zweites Fahrzeug im Spiel gewesen, das sich mit dem Sportcoupé eine rasante Verfolgungsjagd geliefert hatte. Die zuständige Dienststelle der Staatspolizei hatte dagegen offiziell erklärt, es habe sich um den Unfall eines einzigen Wagens gehandelt. Natürlich gehörte der Wachdienst auf dem Campus zur Staatspolizei.
    Der dritte Student, so hatte er gehört, war zu seinem letzten Jahr an die Uni zurückgekehrt; er verließ sein Zimmer nicht mehr und war dabei, langsam, aber
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