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Das Rätsel

Titel: Das Rätsel
Autoren: John Katzenbach
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doch so, oder? Wie viele Menschen hat er noch gleich umgebracht? Waren es sechzehn?«
    »Nein, siebzehn. Prostituierte in Galveston. Und einen Polizisten.«
    »Ah, richtig. Siebzehn. Sie hätten leicht der achtzehnte sein können, wären Sie nicht so fix gewesen. Mit einem Messer, oder?«
    »Ja, er hat ein Messer benutzt. Viele verschiedene Messer. Zuerst ein großes italienisches Schnappmesser mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge. Dann hat er zu einem Jagdmesser gewechselt, mit einer gezackten Schneide, gefolgt von einem Skalpell, und zuletzt wählte er ein altmodisches Rasiermesser. In ein, zwei Fällen hat er ein gewetztes Buttermesser verwendet, und das alles hat der Polizei reichlich Kopfzerbrechen bereitet. Aber ich glaube nicht, dass ich dieser Exekution beiwohnen will, nein.«
    Der Agent nickte, als verstünde er etwas, das zwischen den Zeilen mitschwang. »Ich kenne Ihre sämtlichen Fälle, Professor«, sagte er kryptisch. »Viele waren es ja nicht, wie? Und jedes Mal haben Sie sich geziert. Das steht auch in Ihrer Akte beim FBI. Professor Clayton stellt sein Fachwissen nur ungern zur Verfügung, egal, wo das Problem liegt. Ich frage mich, was Sie ab und an dazu bewegt, diese ach so eleganten heiligen Hallen der ehrwürdigen Alma Mater zu verlassen, um in den Niederungen der realen Gesellschaft auszuhelfen? Wenn Sie sich tatsächlich einmal hergeben, ist es dann das Geld? Nein. Aus materiellen Dingen scheinen Sie sich nicht viel zu machen. Ruhm? Offenbar nicht. Dem gehen Sie offenbar aus dem Weg, untypisch für Ihren Berufsstand. Faszination?Vielleicht. Das leuchtet durchaus ein – na ja, und wenn Sie sich einmal herabbequemen, dann scheinen Sie einzigartig erfolgreich zu sein.«
    »Ich habe ein-, zweimal Glück gehabt. Das ist alles. Meistens ist es nichts weiter als eine Mischung aus Sachkenntnis und Spekulation. Das wissen Sie.«
    Der Agent holte tief Luft und senkte die Stimme. »Sie stellen Ihr Licht unter den Scheffel, Professor. Ich weiß alles über diese erfolgreichen Fälle. Und ich vermute, dass Sie besser sind als das andere halbe Dutzend Akademiker und Spezialisten, auf die sich die Behörden manchmal stützen. Ich weiß von dem Mann in Texas und wie er Ihnen in die Falle getappt ist, und von der Frau in Georgia, die in dem Altenheim gearbeitet hat. Ich weiß von den beiden Teenagern in Minnesota mit ihrem kleinen Mordclub und dem kleinen Streuner unten in Springfield, einen Steinwurf von hier. Miese kleine Stadt, aber was der Kerl dort gemacht hat, wirklich, das hatten die nicht verdient. Fünfzig, oder? Zu so vielen Geständnissen haben Sie ihn jedenfalls gebracht. Aber es waren mehr, oder, Professor?«
    »Ja, es waren mehr. Bei fünfzig haben wir aufgehört zu zählen.«
    »Kleine Jungs, nicht wahr? Fünfzig kleine, verwahrloste Bengel, die in der Umgebung des Jugendzentrums herumlungerten – die auf der Straße lebten und dann starben. Wer interessierte sich schon für die?«
    »Sie haben recht«, stimmte Clayton ausdruckslos zu. »Niemand hat sich für sie interessiert. Weder vor ihrer Ermordung noch danach.«
    »Ich weiß über den Mann Bescheid. Ehemaliger Sozialarbeiter, richtig?«
    »Wieso fragen Sie, wenn Sie es wissen?«
    »Eigentlich interessiert sich niemand dafür, wieso jemand ein Verbrechen begeht, oder, Professor? Das Einzige, was zählt, ist, wer und wie.«
    »Seit man den Zusatzartikel zur Unentschuldbarkeit in die Verfassung aufgenommen hat – ja, da liegen Sie richtig. Aber als Polizist sollten Sie das alles ebenfalls wissen.«
    »Und Sie sind der Professor mit dem antiquierten Interesse an der emotionalen Befindlichkeit von Kriminellen. Der veralteten, aber zuweilen auch notwendigen Psychologie des Verbrechens.«
    Martin holte tief Luft.
    »Der profilierteste Profiler«, sagte er. »Sollte ich Sie nicht so nennen?«
    »Ich werde Ihnen nicht helfen«, beharrte Clayton.
    »Der Mann, der mir die Frage nach dem Warum beantworten kann, stimmt’s, Professor?«
    »Diesmal nicht.«
    Der Agent lächelte wieder. »Ich weiß von jeder Narbe, die diese Fälle Ihnen beigebracht haben.«
    »Das wage ich zu bezweifeln«, entgegnete Clayton.
    »Doch, bestimmt.«
    Clayton wies mit dem Kinn auf die Mappe. »Und das da?«
    »Das da ist was Besonderes, Professor.«
    Jeffrey Clayton stieß ein kurzes, sarkastisches Lachen aus, das durch den leeren Hörsaal hallte. »Was Besonderes! Jedes Mal, wenn jemand an mich herangetreten ist – und es ist immer wieder das Gleiche, wissen Sie!
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