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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier
Autoren: Jan Weiler
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über den hübschen amerikanischen Sänger Bruno Mars. Es gab eine Zeit, da hing ihr ganzes Zimmer mit Postern von ihm voll. Das war, nachdem der blöde Vampir ausgezogen war. Die jungen Männer kommen und gehen, wenn auch nur zweidimensional und an der Wand. Egal. Ich fand diesen Bruno nicht mal so übel, trotzdem musste er ständig für Scherze herhalten. Zum Beispiel für den hier: «Warum heißt Bruno Mars nicht Bruno Snickers? Weil er keine Nüsse hat!» Carla fand das schon beim ersten Mal nicht lustig. Eigentlich mache ich solche Scherze nur, weil ich ihre Reaktion unglaublich cool finde. Sie stellt sich dann vor mich und sagt todernst: «Ja. Papa. Der war’s jetzt. Ich schmeiß mich weg.»
    Aber sie ärgert mich auch zurück. Als ich mich vor einiger Zeit weigerte, mit ihr im Auto nach Stuttgart zu fahren, um dort gegen den Bahnhof zu demonstrieren, schleuderte sie mir verächtlich entgegen, ich sei eben so eine richtige «Revolutionsbremse». Das ist ein starkes Stück für jemanden, der mit dreizehn Jahren durchaus schon zu Demos ging, auch wenn er die thematischen Zusammenhänge nicht genau verstand.
    Neulich musste ich mit ihr Klamotten aussortieren. Und zwar nicht ihre, sondern meine. Sie identifizierte drei Hemden, mit denen ich aussähe wie ein Honk, sowie eine untragbare Hose. «Bitte hol mich nie in diesem Ding von der Schule ab», bat sie mich angewidert. Aber wenn wir uns nicht ärgern, vertragen wir uns eigentlich ganz gut, Carla und ich.
    Und kaum, dass sie auf der Welt war, feierte sie auch schon ihren dreizehnten Geburtstag. Eine einschneidende Angelegenheit, denn damit war sie – täterätäää – ein Teenager. Freudig erregt entwarf ich morgens ein kleines Bilderrätsel. Ich malte einen Teebeutel plus eine Maus auf ein Blatt Papier und schrieb darüber: «Hallo.» Das hängte ich an den Spiegel im Badezimmer. Sie erschien mit der Zeichnung am Frühstückstisch und fragte, was das nun wieder solle. Wahrscheinlich vermutete sie eine unbotmäßige Schmähung ihrer Person. Ich erklärte ihr, das sei ein Rebus, aber sie kam nicht darauf. «Jetzt guck doch mal. Das hier ist Tee, und das ist ein Nager. Ein Tee-Nager», sagte ich. «Aha», antwortete sie mäßig begeistert. «Und warum malst du dann bitte schön eine Fliegenklatsche und ein Schwein?» Ich war augenblicklich beleidigt, auch wenn ich eingestehen muss, dass bei mir alle Tiere aussehen wie Schweine. Außer ich male Vögel. Die sehen aus wie Hühner.
    Nach dem Frühstück verkündete Carla, sie habe zehn Freunde aus der Schule für den Nachmittag zu sich eingeladen. «Zum Kindergeburtstag?», frohlockte ich. «Nein, zum Chillen», sagte sie. Dann übergab sie mir eine Einkaufsliste und erklärte, dass die meisten bei uns übernachten würden, mindestens drei Jungs und mindestens vier Mädchen. Sie brächten Schlafsäcke mit, und man werde es sich in ihrem Zimmer gemütlich machen. In Anbetracht der Größe des Raumes nahm ich an, dass es dort sehr, sehr gemütlich werden würde. Alles eine Frage der Einstellung. Ich fragte, ob Lord Waldemar auch eingeladen sei, und bekam ein Brötchen an den Kopf.
    Dann ging ich zum Einkaufen. Ich besorgte alles, was auf ihrem Zettel stand, nur nicht die Alcopops, aber ich nehme an, damit wollte Carla lediglich den Verblödungsgrad ihrer Revolutionsbremse testen. Als ich zurückkam, stand sie dann in der Küche und rührte in einem großen Topf. Chili con Carne. «Anstatt Kuchen?», fragte ich arglos, und sie erklärte mir, dass es sich dabei um die Mitternachtssuppe handele. Sie hielt uns dann einen längeren Vortrag darüber, dass unsere Anwesenheit in ihrem Zimmer unerwünscht sei, egal, was für Geräusche aus ihm drängen. Und dass wir uns ein einziges Mal benehmen sollten wie richtig coole Eltern. Wir nickten eingeschüchtert, dann klingelte es auch schon an der Tür. Die ersten Gäste kamen.
    Sie hatten Schlafsäcke dabei und waren auf die Nacht ungefähr so gut vorbereitet wie Reinhold Messner auf die Besteigung des Nanga Parbat, auch wenn ihr Proviant wenig höhentauglich erschien. Chipstüten platzen im Hochgebirge. Dieser wichtige Hinweis wurde von den jungen Menschen achselzuckend hingenommen, bevor sie mit ihrem Krempel die Treppe zu unserer Tochter emporstiegen.
    Dort spielte sich wenig Aufregendes ab, soweit man das durch eine geschlossene Zimmertür beurteilen konnte. Carla hatte die komplette TV -Serie «Glee» besorgt, die man sich auf ihrem Laptop ansah. Für einen Moment dachte
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