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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier
Autoren: Jan Weiler
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darauf ankommt, ständig mit den Kindern in Kontakt zu bleiben. Kommunikation ist alles, heißt es. Man soll also reden, reden und nochmals reden, notfalls achtzehn Jahre lang durchlabern. Habe ich versucht. Das vorläufige Ergebnis ist aber ernüchternd, denn ich rede, und meine Kinder schweigen zurück.
    Die ganze Bredouille begann damit, dass wir zu Mittag aßen. Das machen viele Familien in Deutschland jeden Tag. Aber bei uns war so eine komische Stimmung. Niemand sprach, dabei hatte keiner schlechte Laune. Ich mag es nicht, wenn alle stumm das Essen in sich hineinschaufeln. Ich will auch quatschen. Also stellte ich meinen Kindern eine Frage, irgendeine belanglose Frage, nur um das Tischgespräch ein bisschen ins Brummen zu bringen.
    «Mal angenommen, es gäbe mich gar nicht: Wen hättet ihr dann am liebsten als Vater?» Ich dachte, das sei ein Top-Essensthema, und hoffte nebenbei, dass meine Kinder sagen würden, sie könnten sich niemand anderen als Vater vorstellen als mich. Väter sind so, manche jedenfalls, also ich.
    Sara fand die Frage auch interessant, und die Kinder dachten nach, unser Sohn Nick allerdings nur sehr kurz. Dann rief er: «Homer Simpson!» Das fand ich eine ganz gute Wahl. Homer Simpson ist doof, aber lustig.
    Carla nahm sich etwas mehr Zeit und rief dann: «Ich will Til Schweiger als Vater!» Den finde ich mindestens so doof, bloß gar nicht lustig. Er dreht aber angeblich Komödien.
    «Warum bitte denn ausgerechnet der?», fragte ich empört. Ben Stiller hätte ich okay gefunden, meinetwegen auch Jürgen Klopp, solange er die doofe Mütze nicht aufhat. Aber Til Schweiger?
    Carla knabberte an ihrem Salat und führte dann aus, dass der im Film so eine tolle Wohnung habe und super mit Kindern umgehen könne.
    «Kann ich auch», meckerte ich.
    «Aber er guckt immer so süß.»
    Til Schweiger guckt süß! Ich versuchte, so zu gucken wie Til Schweiger, so nett und unschuldig von unten, wie man eben gucken muss, damit Mädchenherzen schneller pochen.
    Carla lachte und sagte: «Du kannst das nicht.»
    Ich wies sie darauf hin, dass ich andere Dinge könne, die der feine Herr Schweiger ganz sicher nicht beherrsche, und Carla sagte: «Die interessieren nur niemanden. Aber außerdem sieht der super aus.»
    Sie betonte das «der» auf eine ziemlich provozierende Weise. Jetzt war ich beleidigt. Selbst schuld. Leider hatte sie vollkommen recht.
    «Wofür ist es denn bitte schön so wichtig, dass ein Vater gut aussieht?», fragte ich in selbstquälerischer Beharrlichkeit. Carla beschenkte mich mit einem mitleidigen Blick, brachte ihren Teller in die Küche und verschwand in ihrem Zimmer, um telefonierend zu kichern. Oder um kichernd zu telefonieren. Wahrscheinlich ging es um mich.
    Ich blieb sitzen und dachte darüber nach, wen ich als Junge gerne zum Vater gehabt hätte. Und dann fiel es mir wieder ein: Lex Barker. Old Shatterhand. 1974 war der mein Traumvater. Lex Barker ging mit diesem oberlässigen Wildlederoutfit auf Kriegspfad. Mein Vater hingegen ging nur mit Anzug und Krawatte ins Büro. Er hatte nicht den kleinsten Schimmer vom Anschleichen, konnte keinen Tomahawk werfen, und wenn er nach Hause kam, machte er kein Lagerfeuer an, sondern den Fernseher.
    Und plötzlich konnte ich meine Tochter verstehen. Allein die Vorstellung, mit Til Schweiger in einem seiner unoriginellen, aber schön eingerichteten Filme zu leben, hebt in Mädchenseelen wahrscheinlich die größten romantischen Schätze. Besonders, wenn er so von unten guckt.
    Mir fällt jedenfalls auf, dass meistens ich bei uns Konversation mache. Madämchen lässt sich Infos nur schwer entlocken, und unsere Til-Schweiger-Diskussion dämpfte ihre Gesprächslust noch weiter. Trotzdem weiß ich allerhand über sie, weil ich um meine Tochter herum recherchiere.
    Ich weiß zum Beispiel, dass es zwischen ihr und Moritz mal wieder nicht zum Besten steht. Große Krise. Sie hat sich da um Kopf und Kragen geredet. Es ist ihrer Jugend geschuldet und eigentlich nicht weiter schlimm. Aber endlaser peinlich. Endlaser ist eine Steigerungsform, die gerade bei uns grassiert. Meine Bolognese ist zum Beispiel endlaser. Und Moritz war offenbar bis gestern endlaser. Mir würde sie so etwas niemals erzählen, weil ich nun einmal nicht endlaser bin. Aber ihren Kumpelinnen erzählt sie alles. Und wer ist mit den jungen Damen befreundet? Genau: ich. Bei Facebook.
    Nicht, dass Sie mich jetzt für einen Strolch halten. Ich habe mich nicht darum bemüht. Es war genau
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