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Das Pubertier

Das Pubertier

Titel: Das Pubertier
Autoren: Jan Weiler
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 Euro werden für kalte und heiße Getränke in der Schule und bei der Taschengeldablieferungsstelle (Kiosk) auf dem Schulweg ausgegeben. Weitere zwei Euro werden für Kurzstreckentickets benötigt, weil die Monatskarte, die der Versuchsleiter bezahlt hat, leider verschwunden ist und erst Jahre später in einem Skistiefel aufgefunden wird, der beim Flohmarkt zum Verkauf steht. Die verbleibenden 30  Cent werden am Dienstag vorgezeigt, um zu belegen, dass das Pubertier praktisch abgebrannt ist. Es besteht auf einer Aufstockung seines Salärs nach Art eines atmenden Deckels und verlangt die sofortige Herausgabe von Kleinbeträgen.
    Der Versuchsleiter hat nun zwei Möglichkeiten. Er gibt nach oder nicht. Wenn er nicht nachgibt, hat dies eine mittelfristige Verdüsterung des Pubertiers zur Folge, die auch nicht durch das Servieren eines Latte macchiato in die Versuchsanordnung aufgehellt werden kann. Zahlt er hingegen einen geringen Münzbetrag, darf er sich über ein Küsschen freuen.
    Zum Abschluss der aktuellen Versuchsreihe lehnt er die Zahlung zunächst ab. Er betritt die Versuchsanordnung zehn Minuten später und stellt einen Korb mit Wäsche hinein, dazu ein Bügelbrett mit Bügeleisen. Er stellt die Zahlung von zehn Euro in Aussicht, wenn der Inhalt des Korbes innerhalb von zwei Stunden geplättet sei.
    Eine kurze Visite etwa vierzig Minuten später ergibt, dass der Finanzbedarf des Pubertiers inzwischen deutlich erlahmt ist, ebenso wie das Versuchsobjekt als solches. Es ist nach dem Bügeln eines T-Shirts eingeschlafen und braucht kein Geld mehr.

Ferber für Anfänger
    Zu den Besonderheiten bei der Verwandlung unserer Tochter in ein Pubertier gehören ihre Wertvorstellungen. Meine Sachen sind zum Beispiel nichts wert. Man kann CD s des Vaters irgendwohin mitnehmen und dort vergessen. Wenn ich meckere, dass ich diese CD s gekauft habe, weil ich sie besitzen wollte, antwortet Carla, ich solle mich nicht so anstellen, es seien doch bloß wertlose CD s. Schon wegen der Frechheit meiner Tochter habe ich ein Problem mit der blöden Gratiskultur des Internets.
    Diese wollte Carla nun mit einem eigenen Computer in Anspruch nehmen und setzte sich daher ein Sparziel, welches sie erstaunlich konsequent verfolgte. Sie bettelte Großeltern deutscher und italienischer Provenienz an. Und sie ging babysitten, um Geld zu verdienen. Zu diesem Zweck malte sie ein Werbeplakat mit abreißbaren Telefonnummern, auf dem sie die Dienste einer «zuverlässigen und freundlichen Teenagerin» anpries. Ich fragte, ob sie demnach noch jemanden mitbringen würde, aber sie fand das nicht komisch und hängte den Schrieb in zwei Geschäften aus. Es riefen tatsächlich Menschen an, und zwar auf meiner Büronummer. Carla hatte sie auf die Abrisse geschrieben, weil ich schließlich zu Hause und ihr Handy immer leer sei.
    Nach einigen stundenweisen Einsätzen folgte neulich der erste Babysitter-Samstagabend im Leben der zuverlässigen und freundlichen Teenagerin. Die Eltern der dreijährigen Cheyenne Shakira wollten in ein Andrea-Berg-Konzert gehen oder in einen Swinger-Club, so genau weiß ich es nicht. Aber wer seinem Kind solche Namen gibt, treibt am Samstagabend die merkwürdigsten Sachen. Sie buchten Carla von halb sieben bis Mitternacht. Ich fuhr sie hin und dann schnell wieder nach Hause, um meine CD s zu sortieren. Irgendwer bringt da immer alles durcheinander.
    Gegen 21  Uhr klingelte das Telefon. Carla. Sie wisse nicht, was sie machen solle, weil dieses Monster sie seit über einer Stunde anbrülle und nicht einschlafe. Ich schlug ihr vor, Cheyenne Shakira zu ferberisieren. Bei der Ferber-Methode lässt man die Kinder schreien, stopft sich Klopapier in die Ohren und trinkt Branntwein, bis alle eingeschlafen sind oder die Polizei klingelt. Carla lehnte dies ab und bat mich, doch mal vorbeizukommen.
    Völlig entnervt öffnete meine Tochter die Tür. Sie versicherte mir, dass Cheyenne Shakira und sie einträchtig einen schrecklichen Film für Kleinkinder angeschaut hätten. Danach gab es Abendessen, dann wurden Zähne geputzt und Bücher vorgelesen. Und nun das.
    Ich öffnete das Kinderzimmer, und Cheyenne Shakira lag wie ein Glutnest in ihrem Bettchen und brüllte. Sie sah aus wie Chucky, die Mörderpuppe.
    Ich sagte: «Huhu, wer will denn da gar nicht schlafen?» Da brüllte Cheyenne Shakira noch ein bisschen lauter und wurde noch ein bisschen röter.
    «Siehst du? Die ist verrückt», rief meine Tochter.
    «Das bekommen wir schon hin»,
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