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Das Prometheus Mosaik - Thriller

Das Prometheus Mosaik - Thriller

Titel: Das Prometheus Mosaik - Thriller
Autoren: Timothy Stahl
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Boden aufgekommen und die rechte Gesichtshälfte nun platt gedrückt, während die linke grotesk angeschwollen wirkte.
    Katharina musterte den Kopf und überlegte, ob er noch zu retten war oder ob sie besser von vorn anfangen sollte. Schließlich stellte sie ihn auf den Sockel zurück und tätschelte ihm tröstend wie einem Kind den feuchten Scheitel. Natürlich war er zu retten. Das war das Schöne an der Bildnerei – alles war zu jeder Zeit noch zu retten, aus allem ließ sich noch irgendetwas machen.
    Und das unterschied diese Kunst, in der sie ihre Berufung gefunden hatte, von ihrem früheren Beruf, den sie gern vergessen hätte … ein Versuch, der zum Scheitern verurteilt war. Zu sehr war ihr Dasein mit jenem Beruf und allem verbunden, was damals geschehen war, bis …
    Katharina schluckte, aber der bittere Geschmack in ihrem Mund blieb.
    … bis sie alle tot gewesen waren.
    Sie kämpfte gegen die beklemmenden Gedanken an, indem sie sich bewusst an den Augenblick erinnerte, als ihr neues, zweites Leben begonnen hatte. Als sie nach vielen vergeblichen Bemühungen auf dem Feld der gestaltenden Künste endlich etwas zustande gebracht hatte, das ihr gefiel, das etwas aussagte und andere zum Innehalten bewegte. Sie hatte eine Plastik aus ungebranntem Ton geformt, eine abstrakte Darstellung eines Neugeborenen. Die Eingebung war Katharina eher zufällig gekommen. Sie hatte an einem Klumpen Lehm gearbeitet, aus dem ihr scheinbar nichts hatte gelingen wollen. Doch dann war er ihr, wie gerade eben der Kopf, aus den Händen geglitten und auf dem Boden auseinandergeplatzt. Da hatte er gleichsam freigegeben, was in ihm steckte, was sich bis dahin vor Katharinas Augen versteckt hatte. Nach diesem Erlebnis hatte sie jeden Werkstoff mit anderen Augen gesehen: In jedem Stein, in jedem Stück Holz, in jedem Batzen Lehm hatte sie wie mit magisch geschärftem Blick erkannt, welche Form oder Figur sich darin verbarg – die sie dann nur noch befreien musste.
    Befreiend war jener Augenblick damals auch für sie gewesen. Und dieses Gefühl oder sein Nachhall klangen heute noch in Katharina nach.
    Sie zuckte zusammen.
    Es hatte geläutet, und nun hämmerte jemand gegen die Tür. Beide Geräusche echoten durch die Villa, überlaut, wie es ihr vorkam.
    Ihr Atelier lag am Ende des Korridors, der von der Eingangshalle aus tiefer ins Haus führte. Katharina spähte um das Türblatt herum.
    »Theo?«, fragte sie, so leise allerdings, dass der Schemen hinter dem in die Haustür eingelassenen Buntglas sie nicht hörte. Es konnte unmöglich Theo sein. Der Junge wusste doch, dass sie die Tür nicht aufmachen würde. Abgesehen davon trug er seinen Hausschlüssel am selben Bund wie den Autoschlüssel, und den hatte er immer dabei, wenn er vom Dienst kam. Schließlich fuhr er mit dem Auto zur Arbeit.
    »Katharina? Mach bittschön auf, ich bin’s.«
    Die Stimme hallte von der Tür gedämpft durchs Haus und war unverkennbar, allein schon wegen des österreichischen Akzents.
    »Lorenz?« Sie trat aus ihrem Atelier heraus und ging ein paar Schritte in den Flur, überwand sich dann und lief endlich durch die bis zum ersten Stock hinaufreichende Halle zur Haustür. Sie schloss auf, so hastig, als sei der Schlüssel glühend heiß. Ebenso kurz nur berührte sie die Klinke, drückte sie und ließ die Tür aufschwingen. Zugleich zog sie sich schon wieder zurück, tiefer hinein ins Haus, fort von der Welt draußen, aus der Lorenz mit einem Schritt über die Schwelle in die ihre trat. An ihm vorbei glitt ihr Blick zur Tür hinaus, und es war für sie, als schaue sie über den Rand in eine tiefe Schlucht hinunter und stürze haltlos hinein. Sie schloss die Augen, fuhr herum, ein Schwindelgefühl niederkämpfend. So hörte sie nur, wie Lorenz hinter ihr die Tür zudrückte und den Schlüssel im Schloss drehte, als gelte es, etwas auszusperren. Er wusste um ihre Angst. So wie er um alles wusste, was sie anging.
    Lorenz Hajek war Katharinas Draht zur Außenwelt, ihr verlängerter Arm, mit dem sie furchtlos in die Welt hinausgreifen konnte, in die sie selbst keinen Fuß mehr setzte, aus Gründen, die nur Lorenz kannte und über die sie mit keinem Therapeuten hätte sprechen können.
    Und Lorenz Hajek war ihr Agent. Der Mann, der ihre Kunst inzwischen in aller Welt an den Mann brachte, alles Geschäftliche abwickelte und dafür sorgte, dass sie selbst nicht ins Licht der Öffentlichkeit geriet.
    »Ich hab meinen Schlüssel vergessen«, sagte Lorenz fast
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