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Das Programm

Titel: Das Programm
Autoren: Michael Ridpath
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Gebäudes, fast genau auf halber Höhe, befanden sich die Trainees, vorläufig noch abgeschirmt von den Gefahren und Versuchungen der Dollarmilliarden, mit denen dort draußen in der Wallstreet jongliert wurde.
    Der Raum war bereits voller Männer und Frauen verschiedenster Herkunft und Hautfarbe. Chris ließ seine Blicke über Namensschilder schweifen. Hier fiel sein Name endlich einmal nicht aus dem Rahmen. Szczypiorski war nicht exotischer als Ramanathan, Ng oder Nĕmečková. Er saß zwischen einem hochgewachsenen blonden Mann, der offenbar Amerikaner war und Eric Astle hieß, und einer Schwarzen namens Latasha James. Duncan befand sich direkt hinter ihm, Ian auf der gegenüberliegenden Seite des Kursraums.
    »Okay, alles herhören!«, verkündete eine barsche Stimme. Alles schwieg. Ein kräftiger, beleibter Mann mittleren Alters, dessen schwarzes Haar mit Gel über die kahl werdende Kopfhaut zurückgekämmt war, stand jetzt in dem leeren Raum zwischen den Bankreihen. »Mein Name ist George Calhoun, und ich bin für das Ausbildungsprogramm hier bei Bloomfield Weiss verantwortlich. Darauf hin ich sehr stolz.«
    Er hielt inne. Alles wartete gespannt.
    »Wie Sie wissen, ist Bloomfield Weiss die gefürchtetste und geachtetste Investmentbank an der Wallstreet. Wie haben wir das erreicht? Warum sind wir jahraus, jahrein bei mehr Aktien- und Anleihenemissionen federführend als irgendeiner unserer Konkurrenten? Was macht uns zu den Besten? Nun, die Antwort haben Sie vor Augen. Es ist dieses Programm. Es ist das härteste Ausbildungsprogramm der Wallstreet.« Er sprach sie »Schtreet« aus, was, wie Chris inzwischen wusste, alle wirklich harten Jungs von Bloomfield Weiss taten. »Wir werden Ihnen nicht nur all das Handwerk herbringen, das Sie brauchen – Anleihenrechnung, Unternehmensfinanzierung und all diese guten Dinge. Wir werden Ihnen auch beibringen, dass nur derjenige, der die größten Anstrengungen unternimmt, der am härtesten arbeitet, der sich nicht damit zufrieden gibt, Zweiter zu sein, den Sieg davonträgt.« Calhouns Stimme wurde zu einem Flüstern, seine Augen glänzten. »Die Wallstreet ist ein Dschungel, und Sie alle sind Raubtiere. Und da draußen«, er machte eine vage Armbewegung in Richtung Außenwelt hinter den fensterlosen Wänden, »da draußen ist die Beute.«
    Er hielt inne, atmete tief durch und zog die Hose mit einem entschlossenen Ruck hoch.
    »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht lautet, dass Sie es nicht alle schaffen werden. Mit diesem Kurs führen wir ein neues System ein. Die Schwächsten von Ihnen, das untere Viertel, wird auf der Strecke bleiben. Ich weiß, dass Sie sich alle irrsinnig abgestrampelt haben, um hierher zu kommen, dass Sie sich durch die besten Universitäten hindurchgequält haben, hundert Bewerber aus dem Feld geschlagen haben, um den Job zu kriegen, aber Sie werden in den nächsten fünf Monaten härter arbeiten als jemals zuvor in Ihrem Leben. Und die skrupellosesten, die härtesten von Ihnen werden die Zukunft von Bloomfield Weiss bestimmen.«
    Er hielt inne, blickte sich um und prüfte, wie seine Worte angekommen waren. Seine Zuhörer saßen wie versteinert.
    »Noch Fragen?«
    Stille. Chris warf einen Blick in die Runde. Seine Mit-Trainees schienen ebenso fassungslos zu sein wie er.
    Eine einzige Hand ging in die Höhe. Sie gehörte zu einer hochgewachsenen, auffallend gut aussehenden jungen Frau mit kurzem weißblondem Haar. Auf ihrem Namensschild stand »Lenka Nĕmečková«.
    Ungnädig wandte sich Calhoun der Hand zu, doch sein unwirsches Gesicht machte eine erstaunliche Wandlung durch, als er sah, zu wem die Hand gehörte.
    »Ja, äh, Lenka?«
    »Die schlechte Nachricht habe ich verstanden«, sagte die Frau mit hartem osteuropäischem Akzent, in den sich amerikanische Töne mischten. »Könnten Sie uns jetzt auch die gute Nachricht mitteilen?«
    Calhoun war einen Augenblick lang verwirrt. Es war deutlich zu sehen, dass er sich verzweifelt an die gute Nachricht zu erinnern versuchte. Chris hörte ein Lachen hinter sich. Duncan! Es pflanzte sich fort im Hörsaal und löste die Spannung, die Calhoun mit seiner Rede so sorgfältig aufgebaut hatte.
    Calhoun war keineswegs amüsiert. »Die gute Nachricht, Ma’am, lautet, dass Sie in den nächsten fünf Monaten beim Essen, Schlafen und Träumen nichts anderes im Sinn haben werden als Bloomfield Weiss.« Grimmig schob er seine Kinnlade vor, als wolle er ihr den Mut zu einer Antwort
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