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Das Programm

Titel: Das Programm
Autoren: Michael Ridpath
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grinste.
    »Na ja«, sagte Duncan, und Zweifel überschattete sein Gesicht.
    Als sie in der Grand Central umgestiegen waren, hatte Duncan auf einmal die zusammengepferchten Fahrgäste mit Gewalt weiter in den überfüllten Wagen geschoben, um für sie drei Platz zu schaffen. Gerade noch rechtzeitig hatten Chris und Ian ihn rückreißen können. Wenn sich nicht im selben Augenblick die Türen geschlossen hätten, wäre Duncan gelyncht worden.
    »Auf jeden Fall versuchen wir das nicht noch mal, oder?«, sagte Chris, als er sich in Richtung des Drehkreuzes am Ausgang durch die Menge zwängte. »Ich glaube, Ian hat Recht. Die Leute hier mögen das nicht.«
    Sie stiegen aus der U-Bahn-Station in die Wall Street empor, die wie eine enge Schlucht von der geschwärzten Fassade der Trinity Church aus abwärts führte. Ihr Weg führte sie vorbei an den Hotdog- und Brezelständen, vorbei an den antiken Säulen der Federal Hall und dem gediegenen Eingang der New Yorker Börse, bis zu einem kleinen Durchgang, der tief im Schatten der zu beiden Seiten aufragenden Gebäude lag. Dort befand sich, ein Stück die Straße hinauf, ein glänzendes schwarzes Bürohaus, über dessen Eingangstür in goldenen Lettern »Bloomfield Weiss« prangte. In langer Schlange strömten die Angestellten in das Gebäude, wie Ameisen, die in ihren Bau heimkehren.
    Die drei jungen Leute wiesen sich bei den Sicherheitskräften am Empfangspult aus und fuhren in den dreiundzwanzigsten Stock empor. Dort hatte Bloomfield Weiss seine weltbekannte Ausbildungsabteilung untergebracht.
    Vor sechs Monaten, im September des vorigen Jahres, hatte Chris im Londoner Büro von Bloomfield Weiss angefangen. Er war direkt von der Universität gekommen, wie die meisten der anderen neun Trainees. Sieben waren sofort nach New York gegangen, sie schlossen das Ausbildungsprogramm gerade ab. Chris, Ian Darwent und Duncan Gemmel waren im April hinübergeschickt worden, um am zweiten Programm des Jahres teilzunehmen. Nachwuchsbanker aus Bloomfield-Weiss-Niederlassungen in der ganzen Welt wurden hier zusammengezogen, um fünf Monate ihres jungen Lebens im härtesten Ausbildungsprogramm der Wallstreet zuzubringen.
    Trotz aller Verschiedenheit waren sich die drei Engländer nähergekommen in den sechs Monaten, die sie am untersten Ende der Hackordnung in der Londoner Niederlassung herumgekrebst waren. Duncan war von Natur aus freundlich, doch Ians Haltung überraschte Chris. Chris kannte ihn von der Universität, sie waren am gleichen College gewesen, sich dort aber kaum über den Weg gelaufen. Ian war ehemaliger Eton-Schüler, Sohn eines Ministers und Mitglied in einer Reihe von Clubs mit rätselhaften, aber altehrwürdigen Namen. Häufig sah man gut bestückte Blondinen an seiner Seite. Chris war in Halifax gewesen. Obwohl Ian drei Jahre lang die Existenz von Leuten wie Chris kaum zur Kenntnis genommen hatte, schien er zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass all das nun, da sie beide auf der Gehaltsliste von Bloomfield Weiss standen, der Vergangenheit angehörte. Chris dachte gar nicht daran, ihm etwas nachzutragen: Sie brauchten einander.
    Als sie im dreiundzwanzigsten Stockwerk den Fahrstuhl verließen, wurden sie von einer kleinen blonden Dame empfangen, die ein strenges Kostüm und ihr Haar in einem straffen Knoten trug. Sie war nicht viel älter als die drei, aber in ihrem Auftreten durch Welten von ihnen getrennt.
    Sie streckte ihnen die Hand entgegen. »Hi. Ich heiße Abby Hollis. Ich bin die Programmkoordinatorin. Und Sie sind?«
    Sie nannten ihre Namen.
    »Sehr schön. Sie kommen schon fast ein bisschen zu spät. Ihre Schreibtische sind dort drüben. Stellen Sie Ihre Sachen ab und gehen Sie weiter in den Kursraum. Wir fangen gleich an.«
    »Jawohl, Miss Hollis«, sagte Chris mit einem vielsagenden Blick in Richtung Ian und Duncan. Abby Hollis runzelte die Stirn und wandte sich der nächsten Gruppe zu, die aus dem Fahrstuhl auftauchte.
    Der Kursraum war ein großes, kreisförmiges Auditorium, dessen Bänke in fünf Reihen aufstiegen und unten, in der Mitte, eine Fläche mit verschiedenen Lehrmitteln frei ließen – einem Computer, einer großen Projektionswand, einem Flipchart und einer Sechs-Meter-Wandtafel auf Rollen. Fenster gab es nicht, nur das leise Summen der Klimaanlage, die den Raum mit Sauerstoff aus der Außenwelt versorgte. Über ihnen und unter ihnen bemühten sich Hunderte von Investmentbankern, aus viel Geld noch mehr Geld zu machen. Hier, im Herzen des
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