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Das Programm

Titel: Das Programm
Autoren: Michael Ridpath
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ein paar Tage allein zurechtkommen. Weit größer war die Sorge um die Eureka-Telecom-Papiere. Fünfundzwanzig Millionen Euro waren eine verdammt große Position für einen Fonds wie Carpathian. Chris wusste wenig über Eureka Telecom, abgesehen davon, dass das Unternehmen beabsichtigte, in Mitteleuropa ein Mobilfunknetz aufzubauen, und dass die Anleihen in der Woche emittiert worden waren, als er Skilaufen war. Bloomfield Weiss, sein alter Arbeitgeber, war die federführende Bank. Es war albern, aber er hatte immer noch Mühe, einem Wertpapier zu trauen, das unter ihrer Federführung emittiert wurde.
    Er betrachtete gerade ein Plakat, das Sarah Bernhardt in der Hauptrolle eines Theaterstücks ankündigte, als er eine vertraute Stimme hörte. »Chris! Wie schön, dass du gekommen bist. Aber du bist spät dran!«
    Sie lächelte und küsste ihn auf beide Wangen. Für eine Frau war sie ziemlich groß, mit weißblondem Haar, ausgeprägten Wangenknochen und großen, fast mandelförmigen braunen Augen. Sie trug enge Jeans, eine Lederjacke und Stiefel. Umwerfend sah sie aus. Hätte Chris sie nicht gekannt, wäre ihm der Unterkiefer heruntergefallen. Aber es war Lenka, und er hatte sich längst an sie gewöhnt. Wo sie ging und stand, drehten sich die Männer nach ihr um, was ihr durchaus nicht unlieb war.
    »Eine Dreiviertelstunde habe ich in Heathrow auf der Rollbahn gesessen«, sagte er. »Können wir was essen? Ich bin am Verhungern.«
    »Hast du im Flugzeug nichts gegessen?«
    »Ich wollte mir den Appetit nicht verderben.«
    »Sehr schön«, sagte sie. »Gehen wir in den Goldenen Bären. Da können wir ‘n Bier trinken oder zwei, und du kriegst bestimmt noch was zu essen.«
    »Schauen wir uns das neue Büro an?«, fragte Chris.
    »Nur von draußen. Morgen früh seh’n wir’s uns richtig an.«
    »Und, wie ist dieser Goldene Bär?«
    »Ein richtig guter Laden, Chris. Du wirst sehen, genau dein Ding. Komm schon.«
    Als sie an ihm vorbeiging, roch er das teure Parfüm, das sie immer benutzte und das ihm so vertraut geworden war. Annick Goutal, wie er inzwischen herausgefunden hatte. Er folgte ihr aus dem Hotel in die kalte Nachtluft. Es war eisig, eine schneidende Kälte, die mühelos durch seinen Londoner Mantel drang und ihn erschauern ließ. Er wünschte, er hätte Handschuhe mitgenommen.
    »Komm«, sagte Lenka. »Hier entlang.« Mit diesen Worten bog sie in eine stille, verschneite Straße ein.
    »Ist es weit?«
    »Zehn Minuten zu Fuß. Ganz in der Nähe vom Paris, im Bankenviertel. Eine gute Adresse, ohne dass es zu teuer ist.«
    »Was ist mit Jan Pavlik? Glaubst du, dass er zu uns kommt?«
    »Ja, wenn er dir gefällt. Wir treffen ihn morgen. Er ist gut, glaube ich.«
    »Habt ihr schon über Konditionen gesprochen?«
    »Natürlich nicht«, sagte Lenka. »Das würde ich doch nie ohne dich machen.«
    Wortlos sah Chris sie an.
    Lenka lachte. »Na gut, lass uns darüber im Lokal sprechen, wenn du möchtest. Es gibt noch was anderes, worüber ich mit dir reden möchte.«
    »Herzlich gern«, sagte Chris. »Aber zuerst brauche ich was zu essen.«
    »Klar«, sagte sie. »Die haben bestimmt Gulasch und Klöße. Damit kriegen wir dich schon satt.«
    Sie bogen um eine Ecke und traten auf den Altstädter Markt. Chris hielt inne und nahm das Bild in sich auf, überwältigt vom Zauber der weich angestrahlten alten Gebäude, die wie Märchenschlösser im Schnee leuchteten. Über bunt gestrichene barocke Patrizierhäuser erhob sich das mittelalterliche Rathaus, während in der Mitte des Platzes dunkel das Denkmal irgendeiner historischen Persönlichkeit aufragte. Der satte Klang eines Saxofons drang aus einer der Bars, die den Platz umsäumten.
    »Komm«, sagte Lenka und zog Chris weiter, »ich dachte, du hast Hunger.«
    Chris wusste, dass sie den Weg absichtlich gewählt hatte, um ihm die Stadt, die sie so liebte, von ihrer besten Seite zu zeigen, aber er folgte ihr durch eine Reihe schmalerer Straßen.
    »Ich hoffe, du weißt, wo du uns hinführst«, sagte er.
    »Klar weiß ich das«, sagte Lenka und bog unter einem Torbogen in ein winziges Gässchen ein.
    Eine vereinzelte Straßenlaterne beleuchtete stille Hauseingänge und ein paar geschlossene Kristallwarenhandlungen. Die kalte Luft roch nach Kohle. Hier lag der frische Schnee noch auf der Fahrbahn und glänzte im Licht der Laterne, nur ein bisschen zusammengepresst von den wenigen Autos, die drübergefahren waren. Alles war still; die Großstadtgeräusche wurden von den
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