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Das Phantom von Schreckenstein

Das Phantom von Schreckenstein

Titel: Das Phantom von Schreckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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UKOs.
    In der Ritterschaft hatten sich drei Gruppen mit unterschiedlichen Meinungen gebildet. Technisch Begabte wie Pummel und Eugen führten die seltsamen Geräusche auf tektonische Einflüsse zurück, wie sie sich ausdrückten. Gemeint war damit kein fernes Beben, denn das wäre in den Rundfunknachrichten erwähnt worden, sondern Veränderungen in der Erdkruste. Wenn sich beispielsweise der Hang, auf dem die Burg stand, nur um Zentimeter senkte, müßte das in dem gewaltigen Bau Spannungen auslösen, vor allem in der Holzkonstruktion. Werner, Dieter und der kleine Eberhard waren davon fest überzeugt.
    Ottokar las in einem Geologiebuch nach und schloß sich ihrer Meinung an. Daß die Geräusche bei eingeschaltetem Licht aufhörten, betrachteten sie als Täuschung. Im Dunkeln höre man deutlicher. Das sei alter Schnee.
    Schnelldenker Mücke, Computergehirn Strehlau und weitere Athleten der grauen Zellen, wie Fritz, Mini—Ritter Herbert und das Rechengenie Olaf, sprachen dagegen von einem psychologischen Fixierbild. „Wir hören was, weil wir’s erwarten und nicht die Geduld haben, zu warten, bis wir tatsächlich was hören!“ formulierten sie schlüssig.
    Solche glatten Sätze taten musischere Gemüter, wie Andi, Stephan, Beni und Hans—Jürgen, als satten Mumpitz ab.
    „In alten Gemäuern rumort es bisweilen. Das ist nichts Neues. Man sagt dann, es spukt. Nur hat noch niemand beweisen können, daß es keine Geister gibt. Sollte es sich um solche handeln, würden wir das begrüßen. Geister zählen zu den Minderheiten in unserer verstandeswütigen Welt, und wir sind nun mal für Minderheiten!“
    Dampfwalze hatte eine Meinung für sich allein. „Ich warte, bis sich die Hühner zeigen!“ sagte er trotzig.
    „Ingrid vor allem!“ Mini—Ritter Egon plusterte sich auf. Er wollte eine kleine Dampfwalze sein.
     
    Die Nacht verging. Jede Wache meldete der nächsten: „Keine besonderen Vorkommnisse.“
    Wer von seinem Posten zurückkehrte, lauschte angestrengt. Doch es blieb still. Auch ohne Licht.
    Am frühen Morgen, als Oskar vor seinem Schrank stand und Schlafanzug gegen Turnhose vertauschte, um anschließend die Ritterschaft mit dem Ruf Aufstehen! Dauerlauf! zu wecken, erfuhr er unerwartete Hilfe. Plötzlich gab es einen lauten, metallischen Schlag mit Nachhall. Er kam von oben.
    Ritter stürzten aus ihren Zimmern und die kleine Treppe hinauf. Dort, auf dem Korridor vor dem Eßsaal, lag der Gong, der sie zu den Mahlzeiten rief, am Boden. Daneben der Haken, an dem er gehangen hatte. Er war aus der Wand gebrochen.
    Nachdem sich die Ritter gebührend gewundert hatten, redeten sie alle gleichzeitig. Jeder versuchte, sich seinen Reim darauf zu machen. Das Ergebnis überraschte nicht: alle drei Gruppen behielten recht.
    Die technisch Begabten sahen tektonische Einflüsse als erwiesen an; die Denkathleten sprachen von Psychokinese — Bewegung durch Gedankenkraft: die Erwartung der Ritter auf einen Zwischenfall hätte als geballte Gedankenschwingung den vermutlich bereits lockeren Haken aus der Wand gelöst; und die musischen Gemüter jubelten über den Erfolg für die Minderheit unterdrückter Geister.
    Mit theatralischer Geste schlug Witzbold Klaus die Hände zusammen und lästerte: „Endlich ein Haken mit Haken! Alle haben nach Rätseln im Dunklen gesucht, und jetzt ist bei Helligkeit was Greifbares passiert.“
    Der Haken hatte einen weiteren Haken. Er lenkte vom Unterricht ab. Die Lehrer, vor allem Gießkanne, Schießbude, Doktor Schüler und Doktor Waldmann, wurden mit Fragen bombardiert, aber auch sie fanden keine besseren Erklärungen. Wollte einer das Thema beenden und zum Lehrstoff zurückkehren, genügte die nächste Frage: „Was sagen Sie, wenn plötzlich die Tafel von der Wand fällt?“ und schon war man wieder bei der Sache.
    Der Gong hatte den Sturz heil überstanden. Emil schlug ihn pünktlich zur Essenszeit. Auch mit vollem Mund blieben die Ritter beim Thema.
    „Was machst du, wenn jetzt der Eßsaal—Boden durchbricht?“ fragte Mini—Ritter Kuno den Dichter Hans—Jürgen.
    „Dann befinde ich mich eine Etage tiefer“, antwortete der ungerührt.
    Alles war wie immer und doch nicht. Die Essenholer brachten den Nachtisch: Rhabarberkompott, das auf der Burg Turbosuppe hieß; der Rex läutete mit dem silbernen Glöckchen, alle Gespräche verstummten, die Schweigezeit begann. In wenigen Minuten würde Schulkapitän Ottokar ans Schwarze Brett treten, mit der Kuhglocke läuten, das Programm für
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